Richter erhielt unschöne Beurteilung
Ein Vorsitzender einer Kammer am Arbeitsgericht in Sachsen kämpfte um seine Regelbeurteilung für die Jahre 2002 bis 2005. Zwei Beurteilungen waren bereits rechtskräftig aufgehoben worden, unter anderem weil der beurteilende Vorgesetzte als voreingenommen galt. 2017 startete der Präsident des Sächsischen Landesarbeitsgericht einen erneuten Versuch: Er bescheinigte dem Richter darin mangelhafte Prozesskenntnisse, zu langsame Aufgabenerledigung und eine nicht erkennbare Verhandlungsleitung. Ein Referatsleiter im Sächsischen Justizministerium erteilte als "überprüfender Dienstvorgesetzter" den Prüfungsvermerk. Auch diese Beurteilung wurde rechtskräftig vom Verwaltungsgericht Leipzig aufgehoben. Der Richter beantragte nun die Feststellung, dass seine richterliche Unabhängigkeit durch diese Beurteilung und durch den Prüfungsvermerk beeinträchtigt werde. Das Dienstgericht am Landgericht Leipzig gab seinem Antrag statt. Das Dienstgericht des Bundes beim Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung.
Beurteilung ist Maßnahme der Dienstaufsicht
Der Antrag ist dem BGH zufolge zulässig, weil der Begriff "Maßnahme der Dienstaufsicht" nach § 26 Abs. 3 DRiG weit auszulegen ist. Die dienstliche Beurteilung sei demnach ein tauglicher Gegenstand nach § 78 Nr. 4e DRiG. Der Vortrag, eine unzuständige Person habe den Prüfungsvermerk angebracht, ist auch geeignet, da nach der Rechtsprechung des BGH die richterliche Unabhängigkeit dadurch bereits verletzt werden kann. Die rechtskräftige Aufhebung der Beurteilung lasse das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, da der Richter weiter im Dienst des Landes Sachsen stehe und die Beurteilung für den streitgegenständlichen Zeitraum noch immer ausstehe.
Über Prüfungsvermerk darf nur die zuständige Person entscheiden
Die Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit ist laut den Karlsruher Richtern ebenfalls gegeben: Der Referatsleiter habe keinerlei Befugnis zu Maßnahmen der Dienstaufsicht gegenüber dem Richter am Arbeitsgericht gehabt. Der Prüfungsvermerk als unabdingbarer Bestandteil der Beurteilung dürfe nur vom nächsthöheren Dienstvorgesetzten angebracht werden, das heißt, nur vom Minister selbst oder in seinem Namen - anderen Amtsträgern im Ministerium stehe dieses Recht nicht zu. Der BGH begründet das mit der besonderen Rechtsstellung der Richter nach Art. 97 Abs. 1 GG. Eine Ausnahme davon gelte nur in dem Einzelfall, dass eine genaue Weisung bezüglich des "Ob" und "Wie" vom Minister vorliege. Es müsse ausgeschlossen werden, dass die unzuständige Person eine eigene Entscheidung über die Beurteilung treffe. Daher ist dem Dienstgericht des Bundes zufolge eine Delegierung dieser Aufgabe per Geschäftsverteilung oder interner Verwaltungsvorschriften nicht möglich. Das Argument "Das machen wir schon immer so!" verfing bei den Bundesrichtern auch nicht.