Datumsvermerk als zwingende Voraussetzung einer Zustellung
Lorem Ipsum
© CHROMORANGE / Michael Bihlmayer

Ein Briefträger muss bei einer Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten das Datum der Zustellung auf dem Umschlag vermerken. Andernfalls gilt es erst dann als zugestellt, wenn es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, bestätigt der Bundesgerichtshof. Werde eine frühere Kenntnisnahme behauptet, müsse diese dargelegt und bewiesen werden. Ein Bestreiten des späteren Zugangs genüge nicht.

Kein Datum auf dem Umschlag?

Der Kläger nahm den Beklagten auf Erstattung von Stromkosten in Anspruch. Dazu hatte diesen das AG Gardelegen durch Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß verurteilt. Die Zustellung dieser Entscheidung erfolgte am 07.10.2021 durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten. Laut Gerichtsakte enthielt die Zustellungsurkunde die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung durch den Briefträger auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks vermerkt wurde. Am 22.10.2021, einem Freitag, ging beim AG der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil ein. Nachdem er auf die Nichteinhaltung der zweiwöchigen Einspruchsfrist hingewiesen wurde, behauptete der Beklagte, den Brief erst am 08.10.2021 aus dem Briefkasten entnommen zu haben. Auf dem Umschlag sei das Zustellungsdatum nicht vermerkt gewesen.

LG: Fehlender Vermerk ohne Bedeutung

Sowohl beim AG Gardelegen als auch beim LG Stendal wurde der Einspruch als unzulässig verworfen. Ein fehlender Vermerk über das Zustellungsdatum auf dem Umschlag führe nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung. Bereits der Wortlaut des § 180 ZPO spreche dagegen, den Vermerk als zwingende Voraussetzung einer Zustellung anzusehen. Durch den Vermerk auf dem Umschlag solle dem Empfänger lediglich nachrichtlich das Zustelldatum zur Kenntnis gebracht werden. Die Annahme der Unwirksamkeit der Zustellung bei einem Verstoß gegen § 180 Satz 3 ZPO sei zum Schutz des Zustellungsempfängers auch nicht erforderlich. Denn diesem könne Wiedereinsetzung gewährt werden. Die Revision des Beklagten beim BGH hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung.

BGH ist anderer Meinung: Zwingende Voraussetzung

Dem VIII. Zivilsenat zufolge war es seitens des LG falsch, anzunehmen, das dem Beklagten am 07.10.2021 in den Briefkasten eingelegte Versäumnisurteil gelte nach § 180 Satz 2 ZPO bereits mit der Einlegung als zugestellt ungeachtet dessen, ob - was der Beklagte unter Beweisantritt in Abrede gestellt hatte - auf dem Umschlag das Datum der Zustellung auch tatsächlich vermerkt war. Dadurch habe es der nach § 180 Satz 3 ZPO bestehenden zwingenden Verpflichtung des Zustellers, das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken, nicht die zutreffende Bedeutung beigemessen. Ob auf dem am 07.10.2021 in den Briefkasten eingeworfenen Umschlag das Datum der Zustellung - wie es die Zustellungsurkunde in Übereinstimmung mit § 182 Abs. 2 Nr. 6 ZPO ausweist - vermerkt war oder ob dieser Vermerk tatsächlich fehlte, müsse das LG nunmehr klären. Der BGH erteilte den Hinweis, dass den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für eine noch am 07.10.2021 erfolgte tatsächliche Kenntnisnahme des Beklagten nach § 189 ZPO treffe. Insoweit genüge es nicht, den ebenfalls unter Beweis gestellten Vortrag des Beklagten, er habe den Brief erst am 08.10.2021 aus dem Briefkasten genommen, lediglich zu bestreiten.

BGH, Urteil vom 15.03.2023 - VIII ZR 99/22

Redaktion beck-aktuell, 15. Mai 2023.