Das letzte Wort hat die Angeklagte

Einer Angeklagten, die vorübergehend an der Hauptverhandlung nicht teilnimmt, ist das letzte Wort zu erteilen, wenn sie wieder anwesend ist, so der BUndesgerichtshof. Einer Angeklagten, die an dem Hauptverhandlungstag, an dem ihr Mitangeklagter sich nach den Schlussplädoyers geäußert hatte, abwesend war, war dies verwehrt worden. In der Entscheidung spielen auch Fallstricke bei der Einziehung und bei der Zurechnung eine Rolle.

Eine GmbH erbringt Zahlungsdienstleistungen ohne Erlaubnis

Die Geschäftsführerin einer GmbH nahm im Auftrag anderer Gesellschaften Anlegergelder entgegen und transferierte diese nach Abzug einer Provision weiter. So gingen innerhalb von knapp drei Monaten im Jahr 2017 rund 4 Millionen Euro auf den Konten der GmbH ein. Für diese Tätigkeit besaß sie keine Erlaubnis. Dem Mitangeklagten wurde vorgeworfen, die Geschäftsführerin zu dieser Tätigkeit angestiftet zu haben. Das Vermögen der GmbH in Höhe von rund einer Million Euro wurde arrestiert. Am 21. Verhandlungstag vor dem Landgericht Koblenz fehlte die Geschäftsführerin und wurde kurzerhand von der Anwesenheit entbunden. An diesem Tag wurden die Schlussplädoyers gehalten und der Mitangeklagte erhielt sein letztes Wort. An dem nächsten Hauptverhandlungstag erfolgte die Urteilsverkündung, ohne der wieder anwesenden Geschäftsführerin das letzte Wort zu erteilen. Beide Angeklagten wurden zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Dagegen wehrten sie sich mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof – mit Erfolg. Die GmbH als Einziehungsbeteiligte erhob ebenfalls die Revision, um die Einziehung des Geldes zu verhindern.

Geschäftsführerin hat Anspruch auf das letzte Wort

Nach § 258 Abs. 2 StPO gebührt dem Angeklagten das letzte Wort. Der BGH betonte, dass die vorübergehende Verhandlung in Abwesenheit der Geschäftsführerin das Landgericht nicht der Pflicht enthebt, ihr anschließend wieder das letzte Wort zu erteilen. Mit ihrer Rückkehr in die Hauptverhandlung erhalte sie alle Rechte als anwesende Angeklagte wieder. Sie habe dieses Recht auch nicht dadurch verwirkt, indem die an dem Tag, an dem ihr Mitangeklagter sein letztes Wort gesprochen habe, nicht da war. Der 3. Strafsenat hält dieses Recht für so bedeutend, dass es selbst nach abschließender Beratung des Gerichts noch gewährt werden muss. Das Urteil beruhe auch auf diesem Verfahrensfehler, weil nicht auszuschließen sei, dass die Geschäftsführerin in ihrem letzten Wort noch Ausführungen gemacht hätte, die einen erheblichen Einfluss auf das Urteil hätten haben können. Der BGH hob deshalb das Urteil gegen sie in vollem Umfang auf und verwies die Sache zurück.

Strafrahmenverschiebung für Anstifter

Da sich die 2017 geltenden Vorschriften des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) an Unternehmen und nicht an natürliche Personen richteten, hätte der Mann nach Ansicht der Bundesrichter nur dann bestraft werden können, wenn ihm die Tat nach § 14 Abs. 1 StGB zugerechnet werden konnte – etwa als Geschäftsführer oder vertretungsberechtigtem Gesellschafter. Da eine solche Stellung des Mannes zur GmbH nicht festgestellt worden sei, hätte das Landgericht Koblenz eine Strafrahmenverschiebung nach den §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB vornehmen müssen. So hätte die nach § 31 ZAG a.F. angedrohte Höchststrafe von fünf Jahren nur noch 3 Jahre und neun Monate betragen. Bei diesem niedrigeren Eingangsstrafmaß sei nicht auszuschließen, dass der Mann eine geringere Strafe erhalten hätte. Der 3. Strafsenat hob deshalb den Strafausspruch für den Mann auf und verwies die Sache zur Neuentscheidung zurück.

Einziehung von Taterträgen

Die Karlsruher Richter bemängelten weiter die Einziehung der Summe auf den Konten der GmbH: Die bei der GmbH eingegangenen Beträge stellten nicht in voller Höhe Taterträge nach § 73 Abs. 1 StGB dar. Taterträge seien nur die erhaltenen Provisionen, nicht aber die im Rahmen des Geldtransfers geflossenen Summen. Die Beträge, die im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit als Zahlungsdienstleister auf die Konten gelangt und weiterüberwiesen werden sollten, sind nach Ansicht des 3. Strafsenats als Tatobjekte im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB einzuordnen. Sie könnten nicht gleichzeitig Taterträge sein. Und Tatobjekte von Straftaten nach dem ZAG können laut den Bundesrichtern nicht eingezogen werden, weil es insoweit an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Auch bezüglich dieser Frage wurde zurückverwiesen, um festzustellen, wie hoch die Provisionen waren. 

BGH, Beschluss vom 18.04.2023 - 3 StR 10/23

Redaktion beck-aktuell, 19. Mai 2023.