Bochumer Gericht muss über Sicherungsverwahrung neu entscheiden

Das Landgericht Bochum muss über die Sicherungsverwahrung eines zu insgesamt neun Jahren Haft verurteilten Sexualstraftäters neu befinden. Der Bundesgerichtshof hob ein Urteil des LG auf, soweit es die seinerzeit angeordnete Unterbringung des damals 46-Jährigen betrifft. Das LG hatte den Mann wegen sexuellen Missbrauchs und weiterer schwerer Straftaten in mehr als 400 Fällen verurteilt und die anschließende Sicherheitsverwahrung angeordnet.

Jungen zweieinhalb Jahre festgehalten und sexuell missbraucht

Der Fall hatte bundesweit für großes Aufsehen gesorgt. Der Verurteilte hatte einen minderjährigen Jungen zweieinhalb Jahre in seiner Recklinghäuser Wohnung festgehalten und sexuell missbraucht. Der damals 13-Jährige war Mitte 2017 aus einer betreuten Wohneinrichtung für Jugendliche plötzlich verschwunden und von der Polizei zufällig entdeckt worden, als Beamte kurz vor Weihnachten 2019 die Wohnung des Angeklagten durchsuchten.

Über Sicherungsverwahrung muss erneut verhandelt und entschieden werden

Der Vierte Strafsenat des BGH hob im Revisionsverfahren mit Beschluss von 31.08.2022 das Bochumer Urteil hinsichtlich der Sicherungsverwahrung auf und gab das Verfahren an eine andere Strafkammer des LG zurück. Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung halte einer "revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand", hieß es in einer Mitteilung des BGH vom Mittwoch. Daher müsse darüber neu verhandelt und entschieden werden.

Zulässiges Verteidigungsverhalten zulasten des Angeklagten verwertet

Die Bochumer Strafkammer habe damals sowohl zur Begründung eines Hanges zu gefährlichen Straftaten als auch bei der Entwicklung der Gefährlichkeitsprognose bei dem Angeklagten darauf abgestellt, dass dessen Einlassung erhebliche Verlagerungen der Tatverantwortung mit Schuldzuweisungen an den Nebenkläger bis zur Umkehrung der Rollen von Täter und Opfer enthalte. Zulässiges Verteidigungsverhalten dürfe aber "weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit des Angeklagten verwertet werden", urteilt der BGH. Andernfalls wäre der Angeklagte gezwungen gewesen, seine Verteidigungsstrategie aufzugeben, um einer für ihn ungünstigen Entscheidung auf Sicherungsverwahrung entgegenzuwirken.

Grenze zulässiger Verteidigungsstrategie hier nicht überschritten

Wenn der Angeklagte zu seiner Verteidigung die ihm zur Last gelegten Taten leugne, bagatellisiere oder einem anderen die Schuld zuschiebe, sei "dies grundsätzlich zulässig". Die Grenze einer zulässigen Verteidigungsstrategie sei erst dann erreicht, "wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers oder eines Dritten Ausdruck einer besonders verwerflichen Einstellung ist". Dies sei hier aber nicht der Fall.

BGH, Beschluss vom 31.08.2022 - 4 StR 166/22

Redaktion beck-aktuell, 5. Oktober 2022 (dpa).