Bislang keine aktive Nutzungspflicht des beA bei Störung des Faxgeräts

Ein Rechtsanwalt muss ab dem 01.01.2022 einen fristgebundenen Schriftsatz über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) versenden, wenn dessen Übertragung an das Gericht per Telefax scheitert. Bis dahin ist es Juristen, die mit der neuen Technik nicht vertraut sind, bei Störungen der Faxübermittlung laut Bundesgerichtshof nicht zuzumuten, innerhalb kurzer Zeit auf das beA auszuweichen. Dieser Übermittlungsweg stelle keine sich aufdrängende, mit geringfügigem Aufwand nutzbare Alternative dar.

Empfangsgerät des Gerichts war defekt

Der Kunde eines Malers war vom AG Norden zur Zahlung restlichen Werklohns von 4.610 Euro verurteilt worden. Dagegen hatte er fristgerecht Berufung eingelegt. Nachdem das LG Aurich mitteilte, dass innerhalb der bis zum 06.11.2020 verlängerten Frist zur Begründung der Berufung keine Dokumente eingegangen seien, beantragte er vorsorglich Wiedereinsetzung. Er teilte mit, er sei ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Frist einzuhalten. Seine Anwältin habe am Tag des Fristablaufs ab 23:40 Uhr versucht, die Papiere per Fax zu versenden. Der Schriftsatz habe aufgrund eines defekten Faxgeräts bei Gericht nicht empfangen beziehungsweise ausgedruckt werden können, worüber die Juristin am 09.11.2020 telefonisch informiert worden sei. Das LG erteilte den Hinweis, der Klient habe bislang nicht glaubhaft dargelegt, warum seine Vertreterin an der Nutzung des beA gehindert gewesen sei. Er teilte mit, dass die Kanzlei zwar die Technik nutze, Übersendungen aber mangels Signaturfunktion auf der beA-Karte technisch unmöglich gewesen seien. Daraufhin verwarf das LG Aurich die Berufung als unzulässig. Auch wenn vor dem 01.01.2022 keine aktive Nutzungspflicht bestehe, dürfe ein Anwalt die Versendung von Nachrichten über das Postfach auch in Eilfällen nicht grundlos verweigern. Die Rechtsbeschwerde hatte beim BGH vorerst Erfolg.

Zumutbarkeit ist entscheidend

Dem VII. Zivilsenat zufolge ist dem Mandanten Wiedereinsetzung zu gewähren. Zwar habe er die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Er sei aber an der Einhaltung der Frist ohne Verschulden seiner Anwältin gehindert gewesen (§§ 85 Abs. 2, 233 S. 1 ZPO). Verschulden sei insbesondere nicht darin zu sehen, dass diese den Schriftsatz am 06.11.2020 nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das LG gesandt hat, nachdem dies mittels Telefax nicht möglich war. Ausgangspunkt dafür sei, dass von einem Anwalt beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Faxgeräts nicht verlangt werden könne, dass er innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherstelle. Laut BGH ist daher die Zumutbarkeit der Übermittlungsart maßgeblich. Derzeit sei die Rechtsanwältin nur zur passiven Nutzung des beA verpflichtet (§ 31a Abs. 6 BRAO). Es sei ihr nicht zuzumuten, sich innerhalb kurzer Zeit vor Fristablauf erstmals mit den Voraussetzungen dieser für sie neuen Zugangsart vertraut zu machen. Dies habe sie glaubhaft dargelegt (§ 236 Abs. 2 S. 1 ZPO).

BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZB 12/21

Redaktion beck-aktuell, 16. November 2021.