Bindungswirkung eines die Erbunwürdigkeit aussprechenden Versäumisurteils
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Ein die Erbunwürdigkeit aussprechendes Urteil ist auch dann für ein Erbscheinsverfahren bindend, wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt. Dies ist laut Bundesgerichtshof unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Erbunwürdigkeit nicht im Erbscheinsverfahren geltend gemacht werden kann. Ansonsten könne der Erbe durch seine Säumnis den Erlass des notwendigen Urteils dauerhaft verzögern.

Witwe per Versäumnisurteil für erbunwürdig erklärt

Das einzige Kind eines Verstorbenen sowie dessen Ehefrau stritten darüber, ob das Nachlassgericht im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens an die durch rechtskräftiges Versäumnisurteil ausgesprochene Erbunwürdigkeitserklärung der Witwe gebunden ist. Nach dessen plötzlichem Unfalltod hatte es ein von der Angetrauten handschriftlich verfasstes gemeinschaftliches Testament eröffnet, das eine wechselseitige Einsetzung des Erblassers und ihr selbst als Alleinerben enthielt. Daraufhin erhob die Tochter im Juli 2020 gegen ihre Stiefmutter Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit. Sie vermutete, dass diese einen vom Erblasser unterzeichneten Blankopapierbogen zur Erstellung des Testaments nach dessen Tod verwendet hatte. Zur Verhandlung am 26.01.2021 erschien die Ehefrau nicht. Das Verfahren endete mit einem rechtskräftig gewordenen Versäumnisurteil des LG Köln, durch das die Witwe für erbunwürdig erklärt wurde. Als Entschuldigung für ihr Nichterscheinen behauptete sie, durch den Tod ihres Mannes schwer traumatisiert zu sein. Daher habe sie sich mit gerichtlichen Dingen nicht auseinandersetzen können, und diverse Gerichtspost erst am 04.06.2021 geöffnet.

OLG: Rechtskräftiges Versäumnisurteil hat Bindungswirkung im Erbscheinsverfahren

Die Tochter beantragte beim AG Köln erfolgreich unter Berufung auf das Versäumnisurteil die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin auswies. Das dortige OLG wies die Beschwerde der Verwitweten zurück. Aufgrund des rechtskräftigen Versäumnisurteils stehe für das Erbscheinsverfahren bindend fest, dass die Hinterbliebene wegen Erbunwürdigkeit nach §§ 2342 Abs. 2, 2344 Abs. 1 BGB von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Dies folge bereits daraus, dass es sich bei dem stattgebenden Urteil um ein Gestaltungsurteil handele, welches mit dem Eintritt der Rechtskraft die Unwürdigkeit herbeiführe. Die Rechtsbeschwerde der Stiefmutter beim BGH hatte keinen Erfolg.

Nachlassgericht ist an die Rechtsfolge gebunden

Das Nachlassgericht ist laut IV. Zivilsenat im Erbscheinsverfahren an die sich aus dem Versäumnisurteil nach § 331 ZPO im Rechtsstreit über die Erbunwürdigkeit ergebende Rechtsfolge gebunden. Die Bindungswirkung eines die Erbunwürdigkeit aussprechenden Urteils ergebe sich dabei aus dem materiellen Recht. Die Erbunwürdigkeit könne insoweit ausschließlich durch Anfechtungsklage nach § 2342 Abs. 1 BGB, nicht aber im Erbscheinsverfahren geltend gemacht werden und nur durch Urteil nach § 2342 Abs. 2 BGB eintreten. Das Nachlassgericht dürfe daher wegen dieses Urteilsvorbehalts ein rechtskräftiges Urteil über die Erbunwürdigkeit auch nicht selbst inhaltlich überprüfen. Dies gelte auch für ein im Erbunwürdigkeitsprozess ergangenes Versäumnisurteil. Verneinte man seine Bindung an ein solches, könnte dies zu dem Ergebnis führen, dass ein nach § 2339 BGB materiell erbunwürdiger Erbe durch seine Säumnis im Rechtsstreit über seine Erbunwürdigkeit dauerhaft verhindern könnte, dass diese im Erbscheinsverfahren berücksichtigt wird.

BGH, Beschluss vom 26.04.2023 - IV ZB 11/22

Redaktion beck-aktuell, 12. Juni 2023.