Bindungswirkung einer nicht angefochtenen Entscheidung über Wiedereinsetzung

Entscheidet ein Gericht gesondert über einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist aufgrund eines Prozesskostenhilfeantrags, so muss diese Entscheidung selbstständig angegriffen werden. Wenn keine Rechtsbeschwerde eingelegt wird, wird die Versagung der Wiedereinsetzung ansonsten laut Bundesgerichtshof rechtskräftig. Damit sei sie grundsätzlich bindend.

Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Das LG Potsdam hatte die Klage des Klägers gegen die Beklagte auf Übertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils an einem Grundstück abgewiesen. Das Urteil wurde den Parteien am 28.12.2021 zugestellt. Am 24.01.2022 beantragte der Kläger durch seinen Anwalt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Berufungsverfahren. Das OLG Brandenburg verlängerte die Frist zur Begründung des Antrags bis zum 28.03.2022. Am letzten Tag der Frist begründete der Mann ihn und reichte die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Das OLG lehnte das Gesuch am 21.04.2022 ab. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – verbunden mit der Erklärung, die Berufung solle auch ohne Pkh durchgeführt werden – wies es am 19.05.2022 zurück. Der Kläger habe erst am letzten Tag der Frist unvollständige Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen gemacht und deshalb nicht davon ausgehen können, rechtzeitig die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinreichend dargetan zu haben. Rechtsbeschwerde wurde dagegen nicht eingelegt.

OLG: Vervollständigung wäre nicht mehr fristgerecht gewesen

Das OLG verwarf die Berufung am 28.06.2022 als unzulässig und auch die Gegenvorstellungen scheiterten. Das Rechtsmittel sei nicht rechtzeitig innerhalb der Rechtsmittelfrist des § 517 ZPO eingelegt worden. Dagegen wandte dieser sich mit der Rechtsbeschwerde – ohne Erfolg.

Entscheidung war bindend

Das OLG hat dem V. Zivilsenat zufolge die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden ist. Auf die Versagung der Wiedereinsetzung habe der Kläger die Rechtsbeschwerde nicht stützen können. Denn über die Wiedereinsetzung habe das OLG mit Beschluss vom 19.05.2022 nach § 238 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausnahmsweise gesondert entschieden. Diese Entscheidung sei rechtskräftig geworden, nachdem der Kläger sie nicht mit der Rechtsbeschwerde nach §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO angefochten habe. Soweit sich das OLG im Rahmen der Entscheidung über die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 19.05.2022 erneut mit denselben Wiedereinsetzungsgründen befasst habe, sei dies zwar rechtsfehlerhaft. Der Beschluss, mit dem die Wiedereinsetzung versagt worden sei, unterliege der Rechtsbeschwerde und war in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO unabänderlich und damit grundsätzlich bindend. Dieser Rechtsfehler habe sich aber nicht ausgewirkt. Unabhängig davon sei die Begründung, mit der das OLG die Wiedereinsetzung versagt habe, nicht zu beanstanden.

BGH, Beschluss vom 17.11.2022 - V ZB 38/22

Redaktion beck-aktuell, 16. Januar 2023.