Bilanzielle Bewertung von Forderungen durch Gericht

Die bilanzielle Bewertung einer (möglicherweise) risikobehafteten Forderung setzt die Einholung eines Sachverständigengutachtens voraus. Dies bestätigt der Bundesgerichtshof. Ausnahme sei der Nachweis eigener Sachkunde durch das Gericht. Wollen sich Vorstände zur Entlastung auf ein Testat berufen, so müssten sie nachweisen, dass den Wirtschaftsprüfern alle wichtigen Unterlagen zur Prüfung der Werthaltigkeit der Anlagen vorlagen.

Schadensersatz für gescheiterte Investition

Eine Anlegerin verklagte die Vorstände einer mittlerweile insolventen AG auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 221.000 Euro nach dem Erwerb von Hypothekenanleihen. Sie warf den Unternehmensvertretern vor, sie hätten mit einem inhaltlich falschen Jahresabschluss für die Anleihen geworben. 2008 erwarb das Unternehmen sechs Immobilien für 44 Millionen Euro, die sie an drei Fondsgesellschaften für 58 Millionen Euro verkaufte. Die Kaufpreise waren bis Ende Oktober 2009 gestundet. Sie stellte die Entgelte als offene Forderungen in ihren Jahresabschluss für 2008 ein, der damit einen Überschuss von 4,7 Millionen Euro aufwies. Im April 2009 testierten die Bilanzprüfer den Jahresabschluss - ohne Beanstandungen. In der Folgezeit gab die AG Anleihen heraus. In den Vertriebsprospekten war zum Teil der geprüfte Jahresabschluss für 2008 mit dem Bestätigungsvermerk enthalten. Im Oktober 2010 trat die AG von den Kaufverträgen mit den Fonds zurück, da diese den Kaufpreis nicht zahlen konnten. Dadurch verwandelte sich der Überschuss in einen Verlust.

OLG verneint Prospekthaftung nach Kapitalanlagebetrug

Während das Landgericht Düsseldorf der Schadensersatzklage teilweise stattgab, verneinte das Oberlandesgericht Düsseldorf eine Prospekthaftung nach Kapitalanlagebetrug gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB beziehungsweise nach § 826 BGB. Die Parteien hatten den Rechtsstreit nach zwischenzeitlichen Ausschüttungen an die Klägerin im Insolvenzverfahren unter anderem in Höhe von 53.000 Euro für erledigt erklärt. Die Revision der Klägerin beim BGH hatte Erfolg.

Besondere Sachkunde nicht dargelegt

Der III. Zivilsenat verwies die Sache ans OLG zurück. Die Richter des Düsseldorfer Oberlandesgerichts hätten bereits nicht dargetan, über das erforderliche Fachwissen zu verfügen, um die Kaufpreisforderungen zum maßgeblichen Stichtag selbst bilanziell richtig bewerten zu können, so die Kritik. Da bislang Feststellungen dazu fehlten, wie die Forderungen zu bewerten waren sowie ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Testat objektiv fehlerhaft gewesen sei, könne derzeit auch nicht beurteilt werden, ob das Verhalten des Vorstands als sittenwidrig und vorsätzlich im Sinne einer Haftung nach § 826 BGB zu beurteilen sei.

Kein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum gegeben

Entgegen der Ansicht des OLG hätten die für einen vorsatzausschließenden Irrtum darlegungspflichtigen Beklagten bislang nicht hinreichend dargetan, dass sie den Abschlussprüfern alle erforderlichen Informationen gegeben hatten, die für eine sorgfältige Prüfung der Werthaltigkeit der Kaufpreisforderungen gegen die Erwerberkommanditgesellschaften erforderlich waren. Hierzu müsse das OLG den Vorständen Gelegenheit geben – falls es nach dem Inhalt des Gutachtens zur Bewertung der Forderungen hierauf ankomme.

BGH, Urteil vom 09.02.2023 - III ZR 117/20

Redaktion beck-aktuell, 20. März 2023.