Beweislast für weitere relevante Umstände bei notarieller Pflichtverletzung

Eine "grundsätzlich feststehende" Kausalität der Pflichtverletzung eines Notars für den Eintritt eines Schadens besteht nicht. Hänge sie neben einer notariellen Amtspflichtverletzung auch von weiteren Umständen ab, tragt der Geschädigte die Beweislast. Wie sich der Auftraggeber bei amtspflichtgemäßem Handeln verhalten hätte, gehöre vollständig zu dem vom Kläger zu beweisenden Ursachenzusammenhang.

Amtspflichten verletzt?

Die Betreiberin eines Leasinggeschäfts verklagte einen Notar wegen angeblicher Amtspflichtverletzungen auf Schadensersatz in Höhe von 100.000 Euro. Sie hatte mit einer Leasingnehmerin – einer GmbH aus Hannover – einen Leasingvertrag über die Finanzierung einer Digitaldruckmaschine geschlossen. Den Abschluss genehmigte sie unter folgender Auflage: "Eintragung einer Briefgrundschuld auf dem Wohnhaus (des Sohns des Geschäftsführers der GmbH) …". Die Leasingnehmerin bestellte die Maschine mit Kaufvertrag von der Verkäuferin für 129.000 Euro netto. Ihr inzwischen verstorbener Geschäftsführer übernahm eine Bürgschaft. Dessen Sohn unterzeichnete eine Zweckerklärung für eine Grundschuld über 100.000 Euro, mit der sein Hausgrundstück belastet werden sollte. Davon übersandte der Notar dem AG Hannover lediglich eine Kopie sowie das Eintragungsersuchen. Das Original der Grundschuldbestellungsurkunde fehlte. Die Klägerin zahlte den Restkaufpreis von 130.500 Euro an die Verkäuferin. Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung der Grundschuld ab, da ein Antrag sowie eine Bewilligung der Eigentümer fehle. Dies war vom Sohn nun auch gar nicht mehr gewollt. Im April 2018 geriet die Leasingnehmerin mit den Raten in Verzug. Die Klägerin kündigte ihr und forderte Schadensersatz von 125.000 Euro. Nachdem sie vor Gericht gegen den Sohn gescheitert war, versteigerte sie die Druckmaschine für 22.000 Euro an die Verkäuferin.

OLG: Zweckerklärung nicht ausreichend geprüft

Das LG Hannover wies die Schadensersatzklage ab. Das OLG Celle verurteilte den Beklagten, an die Klägerin 100.000 Euro zu zahlen. Der Notar habe, indem er die Unterschrift des Zeugen unter der Zweckerklärung beglaubigt habe, ohne nach § 17 Abs. 1 BeurkG, § 15 Abs. 3 GBO zu prüfen, ob das Schriftstück alle für die Eintragung einer Grundschuld ins Grundbuch notwendigen Erklärungen enthalte, seine Amtspflichten verletzt. Zudem habe er eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs dergestalt, dass der Sohn zu einer Grundschuldbestellung nicht mehr bereit gewesen sei, nicht bewiesen. Die Revision des Beklagten beim BGH hatte Erfolg.

Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität verkannt

Der III. Zivilsenat verwies die Sache ans OLG zurück. Von einer "grundsätzlich feststehenden" Kausalität der Pflichtverletzung des Beklagten für den Schaden der Klägerin auszugehen mit der Folge, dass es eine Beweislast des Beklagten für solche Tatsachen angenommen habe, die einen abweichenden Kausalverlauf und eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs begründen, sei falsch. Wie sich der Auftraggeber des Notars, der Sohn des Geschäftsführers, bei amtspflichtgemäßem Handeln verhalten hätte, gehört laut BGH vollständig zu dem vom Kläger zu beweisenden Ursachenzusammenhang. Für den Fall, dass das OLG das Erscheinen des Sohnes beim Notar am 10.11.2017 in Kenntnis der von ihm schon am 20.10.2017 unterzeichneten Zweckerklärung als ein zur Überzeugungsbildung ausreichendes Indiz dafür werten sollte, dass der Zeuge auch nach ordnungsgemäßer Belehrung eine Grundschuldbestellungsurkunde unterzeichnet hätte, hätte auch dies laut BGH nicht zur Folge, dass das Gegenteil vom Beklagten zu beweisen wäre.

BGH, Urteil vom 16.02.2023 - III ZR 210/21

Redaktion beck-aktuell, 27. März 2023.