Beweiskraft eines Verkündungsprotokolls nach Ablauf der Fünfmonatsfrist

Gelangt ein Protokoll nicht innerhalb der Fünfmonatsfrist nach Verkündung des Urteils zur Akte, hat dies keine Einwirkungen auf dessen Beweiskraft. Laut Bundesgerichtshof ist entscheidend, dass es zeitnah zum beurkundeten Termin erstellt wird und zumindest die Urteilsformel im Zeitpunkt der Bekanntmachung schriftlich niedergelegt ist. Eine mit dem dienstlichen Programm "Forumstar" automatisch ausgeworfene Verfügung gleichen Datums könne dies belegen.

Eingang bei Geschäftsstelle über fünf Monate nach Verkündung

Die Klägerin verlangte von der Beklagten Schadenersatz von gut 200.000 Euro wegen zweckwidriger Verwendung von Baugeldern. Das Landgericht Lübeck gab der Klage durch Versäumnisurteil statt, woraufhin die Beklagte Einspruch einlegte. Als Verkündungstermin wurde der 10.02.2020, 12.00 Uhr, bestimmt. Die Beklagte war bei dem Termin selbst anwesend. Mehr als fünf Monate später (am 17.07.2020) verfügte die Richterin, dass das Urteil an die Parteivertreter zugestellt werden solle mit dem Hinweis, dass die Berufungsfrist nach § 517 ZPO bereits laufe. In der Gerichtsakte befand sich ein von ihr unterschriebenes Protokoll, wonach am 10.02.2020 das "folgende Endurteil" verkündet worden sei. Laut Geschäftsstelle war das unterschriebene Urteil am 27.07.2020 dorthin gelangt. Am selben Tag wurde es beiden Parteien zugestellt, die Beklagte legte am 27.08.2020 Berufung ein. Die Begründung reichte sie nach Fristverlängerung am 26.10.2020 nach. Im November 2020 beantragte sie darum, die Berufung als Wiedereinsetzungsantrag zu werten. Sie gab an, die Richterin habe beim Termin den Tenor nicht vorgelesen. Das Oberlandesgericht Schleswig wies den Antrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Sie sei am 27.08.2020 verspätet eingegangen (§ 517 Halbsatz 2 ZPO). Die Frist habe mit der Urteilsverkündung mit Ablauf des 10.02.2020 begonnen und habe – nach dem Ende der Fünfmonatsfrist am 10.07.2020 – am 10.08.2020 geendet. Auch die Rechtsbeschwerde beim BGH scheiterte.

Urteilsformel war im Zeitpunkt der Verkündung schriftlich niedergelegt

Das OLG habe die Berufung der Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen, so die BGH-Richter. Sie habe die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt. Die Verkündung des Urteils am 10.02.2020 in ihrer Anwesenheit sei durch das Protokoll durch den Vermerk "folgendes Endurteil verkündet" bewiesen (§ 165 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO). Ausreichend sei dabei, dass das Protokoll die Bekanntgabe belege. Diese setze allerdings voraus, dass zumindest die Urteilsformel zu deren Zeitpunkt schriftlich niedergelegt sei, weil sie sonst weder verlesen noch in Bezug genommen werden könne (§ 311 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO). Der Umstand, dass das Protokoll erst nach Ablauf von fünf Monaten nach der beurkundeten Verkündung zur Akte gelangt ist, ändert dem VII. Zivilsenat zufolge nichts an seiner Beweiskraft. Entscheidend sei, dass es zeitnah zum beurkundeten Verkündungstermin erstellt worden sei. Dies belegten sowohl die dienstliche Erklärung der Richterin als auch die mit dem Programm "Forumstar" automatisch ausgeworfene Verfügung gleichen Datums.

BGH, Beschluss vom 23.06.2022 - VII ZB 5/21

Redaktion beck-aktuell, 24. August 2022.