Betrügerische Verschreibung häuslicher Krankenpflege ist keine Untreue

Wer als Arzt einem Patienten häusliche Krankenpflege verschreibt, obwohl gar kein Bedarf hierfür besteht, macht sich nur des Betrugs, nicht aber der Untreue schuldig. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es hier an der Vermögensbetreuungspflicht des Mediziners fehlt, weil die Krankenkassen die externe Hilfe gesondert genehmigen muss. Im Gegensatz zur Verschreibung von Arzneimitteln könne der Arzt nicht direkt auf das Vermögen der Kasse zugreifen.

Häusliche Krankenpflege verordnet

Ein Facharzt für Allgemeinmedizin verordnete zwischen 2014 und 2015 fünf Patienten in sechzehn Fällen häusliche Krankenpflege. Die Krankenkassen genehmigten die Pflege, weil er wahrheitswidrig angegeben hatte, dass die Kranken die externe Hilfe benötigten. Nutznießerin der Verschreibungen war seine Ehefrau, die einen Pflegedienst betrieb und die Leistungen - die sie nur in wenigen Fällen tatsächlich erbrachte - gegenüber den Krankenkassen abrechnete. Die Kassen zahlten rund 35.000 Euro aus. Das Landgericht Bochum verurteilte den Mediziner wegen Untreue in sechzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und setzte die Strafe zur Bewährung aus. Dagegen wehrte sich der Arzt vor dem Bundesgerichtshof - mit Erfolg.

Keine Vermögensbetreuungspflicht des Mediziners

Der 4. Strafsenat hob das Urteil auf, weil dem Arzt keine Untreue vorzuwerfen ist: Bei der Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V bestehe gegenüber den Krankenkassen keine Vermögensbetreuungspflicht im Sinn des § 266 Abs. 1 StGB. Es liege nicht allein in der Hand des Mediziners, ob es zu einer Leistung komme - erst müsse die Kasse selbst die Entscheidung treffen, ob die Behandlung erbracht werde oder nicht. Sie könne sich hierzu ihres medizinischen Dienstes bedienen, der eine Begutachtung vornehme. Der Arzt kann also laut den Karlsruher Richtern mit der Verordnung nicht allein auf das Vermögen der Kasse zugreifen.

Abgrenzung Heilmittel- zu Krankenpflegeverordnung

Der Unterschied zu den Fällen, in denen Vertragsärzte wegen Untreue verurteilt worden waren, weil sie ohne Bedarf Heilmittel (nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder ärztlichen Sprechstundenbedarf verschrieben hatten, liegt dem BGH zufolge darin, dass die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege erst noch selbst genehmigen müsse. Wenn der Arzt Arzneimittel verschreibe, konkretisiere er den gesetzlichen Anspruch des Versicherten aus § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB V, denn er stelle verbindlich fest, dass die Medizin erforderlich und wirtschaftlich ist. Die Kasse sei zur Leistung verpflichtet, ohne dass sie eine Kontrollmöglichkeit besitze. Daher ist dem 4. Strafsenat zufolge in der Anordnung von Arzneimitteln eine Vermögensbetreuungspflicht anzunehmen. Hier liege lediglich eine Beihilfe zum Betrug vor.

BGH, Beschluss vom 11.05.2021 - 4 StR 350/20

Redaktion beck-aktuell, 22. Juni 2021.