Betreuungsverfahren: Verfahrensvollmacht eines Anwalts wird nicht von Amts wegen überprüft

Ist eine Betreute durch einen Anwalt vertreten, wird dessen Vollmacht nur auf Rüge eines anderen Beteiligten hin überprüft. Von Amts wegen müsste das Gericht dies Vollmacht laut Bundesgerichtshof nur prüfen, wenn es begründete Zweifel an ihrer Wirksamkeit hätte. Die fehlende Geschäftsfähigkeit der Betreuten sei dafür im Betreuungsverfahren kein Argument.

Mit Betreuung nicht einverstanden

Eine schwer demente Frau wehrte sich mit Hilfe ihres Anwalts gegen die Bestellung eines Berufsbetreuers auf Antrag einer ihrer Enkelinnen, weil sie Jahre zuvor einer anderen Enkelin eine Generalvollmacht erteilt hatte, bei der es nach ihrem Willen auch bleiben sollte. Das zweitinstanzlich zuständige Landgericht bezweifelte aber bereits die Zulässigkeit ihrer Beschwerde: Eine Vollmacht des in ihrem Namen auftretenden Anwalts sei nicht aktenkundig und wegen ihrer aufgehobenen Geschäftsfähigkeit wohl auch nichtig, argumentierte das LG.

Keine Prüfung der Vollmacht von Amts wegen bei anwaltlicher Vertretung

Der für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des BGH hingegen hat mit Blick auf § 11 S. 4 FamFG keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde der dementen Dame. Die Norm regelt, dass das Gericht im Betreuungsverfahren einen Mangel der Vollmacht von Amts wegen berücksichtigen muss, wenn kein Anwalt oder Notar als Bevollmächtigter auftritt. Werden Betroffene aber durch einen Rechtsanwalt vertreten, werde die Vollmacht von Verfahrensbeteiligten nur auf Antrag anderer Beteiligter und eben nicht von Amts wegen überprüft, so der BGH. Etwas anderes gelte nur bei begründeten Zweifeln an Wirksamkeit oder Fortbestehen der Vollmacht, für die es tatsächliche Anhaltspunkte bräuchte, führt der Senat unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung aus.

Fehlende Geschäftsfähigkeit kein Grund für Zweifel

Die Karlsruher Richterinnen und Richter stellen klar, dass solche Zweifel im Betreuungsverfahren insbesondere nicht deshalb bestehen, weil die Betroffene möglicherweise nicht geschäftsfähig ist. Schließlich erkläre § 275 FamFG Betroffene gerade unabhängig von ihrer Geschäftsfähigkeit für uneingeschränkt verfahrensfähig – und damit auch für befugt, einen Verfahrensbevollmächtigten zu beauftragen.

Keine Wunsch-Betreuerin bei erheblichen Konflikten

Auch in der Sache muss das Instanzgericht neu entscheiden: Der BGH rügt, dass die Betreute vor der Bestellung des Betreuers nicht persönlich angehört wurde, und weist vorsorglich darauf hin, dass zwar der Wille der Betreuten grundsätzlich zu beachten ist, wenn diese eine bestimmte Familienangehörige als Betreuerin wünscht. Wenn das aber zu erheblichen familiären Konflikten führen würde, die der Betreuten schaden oder die Regelung der wirtschaftlichen Verhältnisse gefährden könnte, könnten diese Umstände auf die Eignung dieser Person durchschlagen. 

BGH, Beschluss vom 03.05.2023 - XII ZB 442/22

Redaktion beck-aktuell, 5. Juli 2023.