Betreuung nur bei fortbestehender Erforderlichkeit

Wird die für eine Betreuung festgesetzte Überprüfungsfrist überschritten, darf das zuständige Gericht eine gegen deren Anordnung gerichtete Beschwerde nur dann zurückweisen, wenn die Maßnahme zu seiner Überzeugung noch erforderlich ist. Das Vorliegen eines aktuellen Handlungsbedarfs ist dabei laut Bundesgerichtshof nicht zwingend erforderlich. Es genüge, dass dieser Bedarf jederzeit auftreten könne.

Psychisch kranke Frau wehrt sich gegen eine Betreuung

Eine unter Verfolgungswahn leidende Frau wandte sich gegen die Anordnung ihrer Betreuung. Sie war davon überzeugt, von einer fremden Person verfolgt und beobachtet zu werden, die sich unerlaubt Zutritt zu ihrer Wohnung verschaffe. Das AG Marienberg hatte auf Anregung ihrer Vermieterin eine Betreuung eingerichtet und eine Berufsbetreuerin bestellt. Zur Überprüfung der Entscheidung setzte es eine Frist bis zum 10.10.2020 an. Das LG Chemnitz gab der Beschwerde der heute 71-Jährigen überwiegend statt und schränkte den Aufgabenkreis der Betreuung unter anderem auf die Gesundheitsfürsorge und die Vertretung vor Ämtern und Behörden ein. Infolge ihrer wahnhaften Störung sei die Frau nicht in der Lage, ihre Krankheit zu erkennen und die Notwendigkeit der Betreuung einzusehen, so die Begründung. Da sie nicht bereit sei, Medikamente einzunehmen, sei jederzeit mit dem Ausbrechen des Wahns zu rechnen. Damit war die Erkrankte nicht einverstanden und legte Rechtsbeschwerde beim BGH ein – mit Erfolg.

BGH: Konkrete Betreuungsbedürftigkeit ist entscheidend

Aus dessen Sicht hat das LG keine ausreichenden Feststellungen für die Anordnung einer Betreuung nach § 1896 Abs. 2 BGB getroffen. Der XII. Zivilsenat betonte, dass dafür das Vorliegen eines aktuellen Handlungsbedarfs nicht zwingend erforderlich ist. Es genüge, dass dieser Bedarf jederzeit auftreten könne und für diesen Fall die begründete Besorgnis bestehe, dass ohne die Einrichtung einer Betreuung nicht das Notwendige veranlasst werde. Laut BGH war aber die im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom Amtsgericht festgesetzte Überprüfungsfrist bereits abgelaufen. Dass die Betroffene in ihrer Lebenssituation zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung für bestimmte Angelegenheiten – insbesondere solche der Gesundheitssorge – einen konkreten Bedarf für die Hilfe eines Betreuers gehabt habe, sei nicht tragfähig dargelegt worden. Die Begründung des Landgerichts, es seien "in der Vergangenheit Konflikte mit Behörden aufgetreten", sei für einen entsprechenden Betreuungsbedarf ohne Aussagekraft. Der BGH verwies die Sache daher an das LG zurück, welches erneut die Erforderlichkeit einer Betreuung prüfen müsse.

BGH, Beschluss vom 02.06.2021 - XII ZB 540/20

Redaktion beck-aktuell, 17. August 2021.