Betreuung gegen den Willen des Betroffenen

Will ein Gericht gegen den Willen des Betroffenen eine gesetzliche Betreuung einrichten oder erweitern, muss es prüfen, ob das fehlende Einverständnis auf dem freien oder nur auf dem natürlichen Willen beruht. Der Unterschied liegt laut Bundesgerichtshof darin, ob der Betroffene Grund, Bedeutung und Tragweite der Betreuung intellektuell erfassen kann oder nicht. Gegebenenfalls sei ein eindeutiges Sachverständigengutachten einzuholen.

"Dominante Jugendfreundin"

Eine Frau mit kognitiven Einschränkungen und einer körperlichen Behinderung nach einem Schlaganfall wurde rechtlich betreut. Ein Gutachter ging davon aus, dass ihre Willensbildung und auch die Fähigkeit, nach ihrer Einsicht zu handeln, "teilweise" eingeschränkt sei. Ein weiterer Gutachter befand, dass diese Fähigkeiten gerade in der Beziehung zu einer dominanten Jugendfreundin "stark eingeschränkt bis aufgehoben" sei. Das AG Bamberg hatte 2020 die Betreuung unter anderem um den Einwilligungsvorbehalt erweitert. Ihre Beschwerde vor dem LG Bamberg war – ohne weiteres Sachverständigengutachten – vergeblich. Deshalb erhob sie die Rechtsbeschwerde vor dem BGH – mit Erfolg.

Natürlicher Wille oder freier Wille?

Gegen den freien Willen nach § 1896 Abs. 1a BGB dürfe eine Betreuung weder eingerichtet noch erweitert werden, so der BGH. Stimme also die Betroffene der Erweiterung der Betreuung nicht zu, müsse erforscht werden, ob die Weigerung auf dem freien oder nur auf dem natürlichen Willen beruhe. Der Unterschied liege darin, ob sie den Grund, Bedeutung und Tragweite der Erweiterung intellektuell erfassen könne oder nicht. Wenn sie in der Lage sei, ihre Defizite zutreffend einzuschätzen und die Vor- und Nachteile einer Betreuung abzuwägen, dann beruhe ihre Weigerung dem XII. Zivilsenat zufolge auf ihrem freien Willen. Die vorherigen Gutachten seien da nicht eindeutig, so dass die Feststellungen nicht ausreichten, um den Einwilligungsvorbehalt anzuordnen. Das LG müsse daher erneut entscheiden.

BGH, Beschluss vom 07.12.2022 - XII ZB 158/21

Redaktion beck-aktuell, 2. Februar 2023.