Betreuervergütung bei Studium der Wirtschaftsinformatik

Auch ein noch an einer Hochschule der DDR begonnenes Studium der Wirtschaftsinformatik kann eine höhere Betreuervergütung rechtfertigen. Der Bundesgerichtshof verlangt in einem Urteil vom 09.03.2022 aber, dass die absolvierte Ausbildung konkret auf für die Betreuung relevante Inhalte überprüft wird. Die Fächer "Leitung in der sozialistischen Wirtschaft" oder "Sozialistische Volkswirtschaft" böten insoweit keinen Mehrwert.

Studium an der TH "Carl Schorlemmer"

Eine Berufsbetreuerin wollte ihre Arbeit mit einem erhöhten Stundensatz für besondere Kenntnisse vergütet wissen. Die Frau hatte – nach einer Ausbildung als Industriekauffrau – noch in der DDR 1986 ein Studium an der TH "Carl-Schorlemmer" Leuna-Merseburg begonnen. 1991 schloss sie den mittlerweile in Wirtschaftsinformatik umbenannten Studiengang ab. Das AG Cottbus rechnete nicht nach dem erhöhten Satz ab, aber das dortige Landgericht gab der Betreuerin recht: Im Kernbereich hätten die absolvierten Fächer betreuungsrelevantes Wissen vermittelt. Das Gericht bezog sich unter anderem auf das "Sozialistische Recht" und die sozialistische Volks- und Betriebswirtschaft, aber auch auf den Lehrgang Buchführung. Die Beschwerde der Staatskasse hatte beim BGH vorerst Erfolg (Az.: XII ZB 539/21).

Relevantes Wissen?

Die Karlsruher Richter mahnten eine genauere Prüfung an, inwieweit hier tatsächlich betreuungsrelevantes Wissen im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG vermittelt wurde. Die Zielrichtung der Wirtschaftsinformatik liege in der effektiven Verknüpfung von Ökonomie und EDV – inwieweit hier Parallelen zur Arbeit eines Betreuers bestünden, habe das Landgericht nicht geprüft. Der XII. Zivilsenat erinnerte zudem daran, dass Fächer wie die "Sozialistische Betriebswirtschaft" allenfalls im geringen Umfang relevante Kenntnisse vermittelten und die "Sozialistische Volkswirtschaft" nichts von Bedeutung beitrage. Umgekehrt wiesen die Bundesrichter aber auf die ursprüngliche Ausbildung als Industriekauffrau hin – diese könne das Potenzial haben, eine höhere Vergütung zu rechtfertigen.

BGH, Beschluss vom 09.03.2022 - XII ZB 539/21

Redaktion beck-aktuell; Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 14. April 2022.