Besichtigung einer Mietwohnung

Mieter sind verpflichtet, nach entsprechender Ankündigung Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen sachlichen Grund gibt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist dies eine vertragliche Nebenpflicht. Eine Einschränkung des Rechts sei aber bei schwerwiegenden Gesundheitsgefahren für den Mieter durch die Besichtigung möglich.

Geplanter Verkauf

Eine Mieterin wehrte sich gegen eine Besichtigung ihrer Wohnung durch Kaufinteressenten. Sie war 2017 eingezogen. In ihrem Formularmietvertrag war ausdrücklich ein Besichtigungsrecht bei besonderen Anlässen, so im Rahmen eines geplanten Verkaufs, enthalten. Zwei Jahre forderten die Vermieter sie auf, Besichtigungen der Räumlichkeiten durch Makler und Interessenten zuzulassen. Dies lehnte die Bewohnerin unter Verweis auf ihre schwerwiegende psychische Erkrankung ab. Das Amtsgericht Hersbruck gab den Eigentümern weitestgehend Recht. Das Landgericht Nürnberg-Fürth widmete sich der Sache eingehender und holte ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ein. Danach litt die Frau seit mehr als 20 Jahren an einer komplexen psychischen Störung. Sie habe mehrere Selbstmordversuche unternommen und sei teils in stationärer Behandlung gewesen. Sie sehe die Wohnung als ihren einzigen "Schutzraum" an. Der Gutachter befürchtete bei einem Erfolg der Klage eine Verschlechterung des Gesundheitszustands bis hin zum Suizid. Das LG wies daraufhin die Klage als "derzeit unbegründet" ab. Die Revision führte zur Zurückverweisung.

Besichtigung in Abwesenheit?

Die Karlsruher Richter waren prinzipiell mit dem Vorgehen des LG einverstanden. Im Grundsatz treffe die Mieterin aus § 242 BGB eine vertragliche Nebenpflicht, nach Vorankündigung bei besonderen Anlässen Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Diese sei hier zusätzlich im Mietvertrag verankert worden. Bei schwerwiegenden Gefahren für Leib oder Leben des Mieters könne es sein, dass die Interessen des Vermieters zurückstehen müssten. Der V. Zivilsenat lobte, dass das LG Nürnberg-Fürth mit der Einholung des Gutachtens seine Interessenabwägung auf eine tragfähige Grundlage gestellt habe. Der Sachverständige habe aber auch ausgeführt, dass sich die Gesundheitsgefahren verringern lassen könnten, wenn statt der Mieterin eine Vertrauensperson für sie an der Besichtigung teilnehme. Diesen Aspekt müsse das Berufungsgericht näher prüfen. 

BGH, Urteil vom 26.04.2023 - VIII ZR 420/21

Redaktion beck-aktuell, 21. Juni 2023.