"Beschlusszwang" für bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums
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Ein Wohnungseigentümer, der eine in der Gemeinschaftsordnung nicht vorgesehene bauliche Veränderung vornehmen will, muss einen Gestattungsbeschluss notfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage herbeiführen, ehe er mit dem Bau beginnt. Das hat der Bundesgerichtshof klargestellt. Dieses Verfahren sei seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) zum 01.12.2020 eindeutig geregelt.

Streit um Swimmingpool im Garten

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit zwei Doppelhaushälften auf einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstück. Die Beklagten begannen gegen den Willen der Klägerin mit dem Bau eines Swimmingpools in der von ihnen genutzten Hälfte des Gartens. Nach der Gemeinschaftsordnung von 1971 bestimmt sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach dem Gesetz, wobei jedem Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht an dem an die jeweilige Haushälfte anschließenden Gartenteil zusteht. Ausweislich einer späteren Ergänzung der Teilungserklärung sind sie insoweit allein für Reparaturen und Instandhaltungen verantwortlich und kostenpflichtig. Die Unterlassungsklage der Klägerin gegen den Bau des Pools war in den ersten beiden Instanzen erfolgreich. Nun hat sich auch der BGH auf die Seite der Klägerin gestellt und die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

BGH bejaht Unterlassungsanspruch

Der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Bauliche Veränderungen müssten nämlich gemäß § 20 Abs. 1 WEG durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer gestattet werden. Daran fehle es hier. Die Wohnungseigentümer hätten das Beschlusserfordernis auch nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG abbedungen. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus der Gemeinschaftsordnung nebst Ergänzung. Zwar stehe den Beklagten ein Sondernutzungsrecht an dem hälftigen Grundstück zu. Ein solches Sondernutzungsrecht berechtige aber nicht zu grundlegenden Umgestaltungen der jeweiligen Sondernutzungsfläche, die wie der Bau eines Swimmingpools über die übliche Nutzung hinausgehen. Hierbei handele es sich auch nicht um eine Reparatur oder Instandsetzung.

Beklagte hätten Gestattungsbeschluss vor Baubeginn herbeiführen müssen

Dem Unterlassungsanspruch könnten die Beklagten auch keinen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung gemäß § 20 Abs. 3 WEG nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegenhalten. Zwar könne gemäß § 20 Abs. 3 WEG jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn insbesondere kein anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt wird, wovon vorliegend auszugehen sei. Seit Inkrafttreten des WEMoG müsse die Gestattung jedoch durch Beschluss der Wohnungseigentümer erfolgen. So werde sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden. Einen derartigen Gestattungsbeschluss vor Baubeginn herbeizuführen - gegebenenfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG - sei Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers.

Verfahren seit Inkrafttreten des WEMoG eindeutig geregelt

Dass der bauwillige Wohnungseigentümer dem Unterlassungsanspruch seinen Gestattungsanspruch nicht unter Berufung auf Treu und Glauben entgegenhalten kann, sei keine bloße Förmelei. Die übrigen Wohnungseigentümer sollten nicht in die Rolle gedrängt werden, auf die Erhebung einer Klage durch die Gemeinschaft hinwirken zu müssen. Vorteil dieses nunmehr eindeutig geregelten Verfahrens sei außerdem, dass mit Bestandskraft eines gestattenden Beschlusses oder mit Rechtskraft eines entsprechenden Urteils zwischen den Wohnungseigentümern ebenso wie im Verhältnis zu deren Rechtsnachfolgern feststeht, dass die bauliche Veränderung zulässig ist.

BGH, Urteil vom 17.03.2023 - V ZR 140/22

Redaktion beck-aktuell, Miriam Montag, 17. März 2023.