Beschimpfungen durch Dritte in der Berichterstattung

Eine Zeitung darf die Meinungsäußerungen Dritter zitieren, auch wenn diese dem sozialen Ansehen des Betroffenen abträglich sind. Der Bundesgerichtshof hat die Berichterstattung über eine aktuelle Auseinandersetzung in einer Kirchengemeinde für zulässig befunden, in der interviewte Personen keinen Hehl aus der Abneigung gegen ihren Probst machten. Das Medium habe sich die Äußerungen erkennbar nicht zu Eigen gemacht, sondern neutral berichtet.

Hochspannung in der Kirchengemeinde

Eine Zeitung veröffentlichte einen langen Artikel über einen Kirchenkreis, in dem es heftig rumorte: Im Mittelpunkt der Berichterstattung stand der Probst, ihm wurden von zwei Interviewpartnern unter anderem "Mobbing, Intrigen und Widersprüche" vorgeworfen. Er solle Mitarbeiter "systematisch herausgemobbt" haben, "Menschen unwürdig behandelt" haben, und verantwortlich für 700 Kirchenaustritte in 2013 sein. Die Reportage gab auch eine Stellungnahme des zuständigen Bischofs wieder, wonach die Vorwürfe geprüft und für haltlos befunden worden seien. Und sie schrieb, dass die tatsächlich verzeichneten Kirchenaustritte sich auf 78 beliefen. Der Probst wandte sich unter anderem gegen die Wiedergabe diverser Äußerungen. Das Landgericht Itzehoe gab ihm Recht, das Oberlandesgericht Schleswig verbot der Presse die Wiedergabe einzelner Äußerungen. Die Zeitung wehrte sich dagegen vor dem Bundesgerichtshof - mit Erfolg.

Substanzarme Bewertungen

Der Kirchenmann habe keinen Anspruch auf das verlangte Verbot aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB, erkannte der BGH, und wies die Klage vollständig ab. Die Zeitung habe von Spannungen in der Gemeinde berichtet und dabei einzelne Äußerungen der Interviewten zitiert. Diese wiedergegebenen Bewertungen - systematisches Mobbing oder unwürdige Behandlung - seien jedoch derartig substanzarm, dass sich der Leser keinerlei Vorstellung über die konkreten Vorgänge habe machen können. Der tatsächliche Gehalt dieser Aussagen trete deshalb gegenüber dem Werturteil gänzlich zurück.

Tatsachenbehauptungen widerlegt

Soweit überprüfbare Aussagen getroffen worden seien, etwa die 700 Kirchenaustritte im Jahr 2013, habe die Zeitung unmittelbar im Anschluss an das Zitat berichtet, dass die offiziellen Zahlen nur 78 Austritte auswiesen. Daraus ergibt sich laut den Karlsruher Richtern für den Leser, dass die wiedergegebene Behauptung des Interviewpartners überprüft und sich als unwahr herausgestellt hat. Die Zeitung habe sich die Äußerungen erkennbar nicht zu Eigen gemacht.

Überwiegendes Interesse der Pressefreiheit

Im Übrigen sei das Persönlichkeitsrecht des Probstes nur in seinen Ausprägungen der Berufsehre und der sozialen Anerkennung betroffen. Seine Schutzinteressen überwiegen laut Bundesgerichtshof nicht gegenüber den Interessen der Presse, in einer aktuellen öffentlichen Auseinandersetzung Meinungsäußerungen Dritter zu veröffentlichen. Der Artikel stelle den Kirchenmann nicht an den Pranger oder habe sonst schwerwiegende Auswirkungen auf sein Persönlichkeitsrecht. Bei einem entsprechenden Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit sei das Vorgehen der Zeitung zulässig, so der BGH.

BGH, Urteil vom 26.01.2021 - VI ZR 437/19

Redaktion beck-aktuell, 27. April 2021.