Beschäftigungsverbot wegen Mutterschutz hindert Schöffin nicht

Wirkt in der Hauptverhandlung eine Laienrichterin mit, der ein ärztliches Beschäftigungsverbot erteilt wurde, ist das Gericht nicht automatisch fehlerhaft besetzt. Das Verbot ist dem Bundesgerichtshof zufolge individuell auf den konkreten Arbeitsplatz und auf die Gesundheit der Schwangeren zugeschnitten und entfaltet keine Geltung auf der Richterbank. Nur bei einer Mitwirkung trotz Verhandlungsunfähigkeit wird dem Bundesgerichtshof zufolge dem Angeklagten der gesetzliche Richter entzogen.

Gericht war nicht fehlerhaft besetzt

Die Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 1 StPO, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, das Gericht sei falsch besetzt gewesen, weil die Schöffin wegen des Beschäftigungsverbots nicht habe mitrichten dürfen, ist dem BGH zufolge unbegründet. Das Verbot nach § 16 MuSchG führe nicht zu einem Mitwirkungsverbot in der Hauptverhandlung, weil es vom Betriebsarzt für den Arbeitgeber ausgestellt worden sei und sich auf ihre Tätigkeit als Arbeitnehmerin beziehe. Das ärztliche Zeugnis orientiere sich individuell an der Gefährdung der Gesundheit von Mutter und Kind in dem konkreten Betrieb. Deshalb führe das Beschäftigungsverbot an sich nicht zu einem Wegfall der Schöffin im Verfahren oder zu einer rechtswidrigen Besetzung.

Für Laienrichterinnen gilt das Mutterschutzgesetz nicht

Der 5. Strafsenat stellte fest, dass § 16 MuSchG nur für Arbeitnehmerinnen gilt: Es gehe darum, abhängig Beschäftigte zu schützen. Sie, die vertraglich weisungsgebunden seien, sollten vor Arbeitsanweisungen und einer Arbeitsumwelt geschützt werden, die die Gesundheit der Schwangeren und deren Kindes gefährde. Das Gericht "beschäftigt" die Schöffin nicht, so der BGH. Vielmehr übe sie ein Ehrenamt aus, für das sie auch nicht entlohnt werde oder in dem ihr Urlaubsansprüche oder ähnliches erwachsen würden. Die Laienrichterin sei nur hinsichtlich des Orts und der Zeit gebunden, inhaltlich ist ihre Entscheidung laut den Leipziger Richtern aber frei von jeglicher Weisung. Auch über § 71 DRiG, § 46 BeamtStG, die den Mutterschutz für Berufsrichterinnen regeln, käme § 16 MuSchG nicht zur Anwendung, weil sie nur ein Ehrenamt ausübe und eben keine Berufsrichterin sei. Eine analoge Anwendung scheide mangels Regelungslücke nach einer Veränderung der Norm im Jahr 2002 aus, da der Gesetzgeber erkennbar den Anwendungsbereich erweitert habe, um etwa Studentinnen in den Schutz miteinzubeziehen.

BGH, Urteil vom 30.09.2021 - 5 StR 161/21

Redaktion beck-aktuell, 3. Januar 2022.