Landkreis ging in Vorkasse
Der Landkreis Leer verlangte von einem geschiedenen Familienvater die Erstattung von laufendem Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht für die Zeit ab März 2021. Seine Ex-Frau und er bekamen zwei Kinder, für die die Unterhaltsvorschusskasse seit 2017 aufkam. Der Produktionshelfer hatte ein monatliches Nettoeinkommen von 1.772 Euro. Den elf Kilometer langen Weg zur Arbeitsstätte legt er mit dem Auto zurück. Der Arbeitgeber zahlte vermögenswirksame Leistungen von 13 Euro monatlich. 2017 erwarb er eine Eigentumswohnung, die er selbst bewohnte. Sie hatte einen Wohnwert von 350 Euro. Er finanzierte sie mit einem Kredit von über 60.000 Euro bei einer monatlichen Rate von 215,50 Euro (Tilgungsanteil rund 80 Euro) sowie einem zweiten Kredit von über 12.000 Euro mit einer monatlichen Rate von 107 Euro (Tilgungsanteil rund 50 Euro). Das Amtsgericht Leer wies den Antrag größtenteils ab und rechnete dabei dem Einkommen einen Wohnvorteil von 27,50 Euro zu. Es hatte insoweit Zins- und Tilgungsleistungen von 322,50 Euro anerkannt und abgezogen. Beim Oberlandesgericht Oldenburg scheiterte die Beschwerde des Trägers. Leistungen für Zins und Tilgung seien bis zur Höhe des Wohnvorteils auch dann in voller Höhe anzurechnen, wenn der Mindestunterhalt nicht gedeckt sei. Sie bezweckten die Entschuldung des selbst bewohnten Eigenheims. Daraufhin wandte sich der Kreis an den BGH – ohne Erfolg.
Fiktive Tilgungsstreckung
Der XII. Zivilsenat stimmte der Berechnung der Vorinstanzen zu. Bei der Frage, inwieweit Verbindlichkeiten des unterhaltspflichtigen Vaters nach § 1603 BGB allgemein einschränkend zu berücksichtigen sind, müsse dem Umstand Rechnung getragen werden, dass durch die Zins- und Tilgungsleistungen, die der Selbstnutzer eines Eigenheims auf einen zu dessen Finanzierung aufgenommenen Kredit erbringe, ein einkommenserhöhender Wohnvorteil erst ermöglicht werde. Zwar handele es sich bei der Tilgung des Immobilienkredits immer noch um eine Vermögensbildung, aber ohne Zins und Tilgung gäbe es den unterhaltsrechtlich zu seinen Lasten berücksichtigten Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete erst gar nicht. Das OLG habe zudem zu Recht davon abgesehen, die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Antragsgegners fiktiv durch eine Tilgungsstreckung und eine damit verbundene Herabsetzung der Tilgungsleistungen zu erhöhen. Dies komme nur in Ausnahmefällen in Betracht – wenn eine sehr hohe Tilgungsrate vereinbart oder die Immobilie schon fast komplett abgezahlt worden wäre. Da der Schuldner die Darlehen mit dem anfänglichen Tilgungssatz von unter 2% erst seit 2017 bedient habe, sei bislang auch noch kein nennenswerter Teil der gesamten Darlehensschuld zurückgezahlt worden.