Bekanntmachungsfehler: Hauptversammlungsbeschlüsse unwirksam

Die ergänzte Tagesordnung der Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft muss rechtzeitig bekanntgemacht werden. Dies gilt auch bei einer gerichtlich durchgesetzten Ergänzung durch Minderheitsaktionäre. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.07.2020 entschieden.

Ergänzte Tagesordnung am letzten Anmeldetag veröffentlicht

Ein Konflikt entzündete sich an zwei Beschlüssen, die auf der Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft gefasst worden waren. Auf Wunsch der größten Aktionärin hatte der Vorstand zur Hauptversammlung über die Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern eingeladen. Ein Mitglied des Kontrollgremiums und die zweitgrößte Anteilseignerin, eine Gemeinde, verlangten die Ergänzung der Tagesordnung um eine Beschlussfassung über Sonderprüfungen. Dabei störten sie sich unter anderem daran, dass der Vorstand ihrer Bergbahn identisch mit jenem der Großaktionärin war. Das Amtsgericht München erlaubte ihnen, die ergänzte Tagesordnung im Bundesanzeiger mitzuteilen. Am 25.07.2016 veröffentlichte das Amtsblatt die Bekanntmachung. Am gleichen Tag endete nach der Satzung die Anmeldefrist für die Aktionäre – vier Tage vor der Sitzung. Die Anträge zu den ergänzten Tagesordnungspunkten wurden in der Zusammenkunft mit großer Mehrheit angenommen. Die größte Anteilseignerin sah als Ursache hierfür eine zu späte Bekanntmachung an. Das Landgericht München I wies die Anfechtungsklage ab und wurde vom Oberlandesgericht München bestätigt: Zu Recht habe die Vorinstanz einen Verstoß gegen die Einberufungsvorschriften der §§ 124 Abs. 1 Satz 1, 123 Abs. 4 AktG verneint. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Bekanntmachung rechtzeitig – am letzten möglichen Tag vor Ablauf der Anmeldungsfrist – erfolgt sei.

BGH: Zeitspanne zu kurz bemessen

Die Revision zum BGH führte zum Ziel. Aus Sicht der Karlsruher Richter sind die von der Hauptversammlung zu den Tagesordnungspunkten gefassten Beschlüsse gesetzwidrig zustande gekommen und daher nach § 243 Abs. 1 AktG nichtig. Sie beruhten auf einer verspäteten und damit nicht ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Tagesordnung. Die aufgrund einer gerichtlichen Ermächtigung der Minderheitsaktionäre nach § 122 Abs. 3 Satz 1 AktG ergänzten Gegenstände müssten bei einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft so rechtzeitig bekanntgemacht werden, dass die Aktionäre ausreichend Zeit haben, sich mit ihnen zu befassen. Nur so könnten sie entscheiden, ob sie an der Hauptversammlung teilnehmen wollten und die Voraussetzungen erfüllten. Die Bekanntmachung am 25.07.2016, dem letztmöglichen Tag der Anmeldung hierfür, sei verspätet gewesen und habe daher das Recht der Aktionäre auf sachgerechte Information verletzt. Offen bleiben könne, welche Frist angemessen gewesen wäre.  

BGH, Urteil vom 14.07.2020 - II ZR 255/18

Redaktion beck-aktuell, 9. September 2020.