Beiordnung erstreckt sich auch auf das Adhäsionsverfahren
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Ein Pflichtverteidiger ist automatisch auch für die Abwehr von Schadensersatzansprüchen im Strafverfahren (Adhäsionsverfahren) beigeordnet, eines Prozesskostenhilfeantrags bedarf es dafür nicht. Der Bundesgerichtshof hat diese umstrittene Frage erstmalig entschieden. Der 6. Strafsenat stellte weiter klar, dass Einziehungsentscheidungen nur gegenüber Tätern getroffen werden können, die über die Beute tatsächlich verfügen konnten.

Diebstahl und Raub begangen

Drei Angeklagte hatten sich des Diebstahls und des Raubes schuldig gemacht, wobei zwei von ihnen nur gegen ein "Spritgeld" Fluchtfahrzeuge gefahren hatten. Der Haupttäter war cannabisabhängig und hatte die Taten begangen, um seinen Konsum zu finanzieren. Die Nebenklägerin machte im Rahmen einer Adhäsionsklage Schadensersatz geltend. Das Landgericht Dessau-Roßlau verhängte Freiheitsstrafen, zog gegenüber allen Tätern die Taterträge ein und urteilte über die zivilrechtlichen Ansprüche. Alle Verurteilten erhoben Revision vor dem Bundesgerichtshof. Einer der Angeklagten, dem  eine Pflichtverteidigerin beigeordnet worden war, stellte für die Revisionsinstanz einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Abwehr der Adhäsionsansprüche - ohne Erfolg.

Beiordnung erstreckt sich auf Adhäsionsverfahren

Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verteidigerin hat der Bundesgerichtshof abgewiesen, weil der Angeklagte bereits eine Pflichtverteidigerin hatte. Die notwendige Verteidigung nach § 140 StGB umfasse stets auch die Verteidigung im Rahmen der Adhäsionsklage, weil der Anklagevorwurf und die Abwehr des vermögensrechtlichen Anspruchs des Verletzten in der Regel untrennbar miteinander verbunden seien. Die durch die Verknüpfung von Tat und Anspruch hergestellte Effizienz sei gerade Zweck des Adhäsionsverfahrens. Diese Frage war bislang umstritten und wurde vom 6. Strafsenat erstmalig höchstrichterlich beantwortet.

Einziehung nur bei Verfügungsgewalt über die Beute

Die Leipziger Richter hoben die Einziehungsentscheidungen gegenüber den Fahrern auf: Taterträge nach § 73 Abs. 1 StGB seien nur bei den Tätern anzunehmen, die tatsächlich über die Beute hätten verfügen können. Die Fahrer, die die Beute nur gegen eine Aufwandsentschädigung transportiert hätten, hätten keine faktische Mitverfügungsmacht über den Ertrag der Tat. Auch eine Einziehung der Nutzungen nach § 73 Abs. 2 StGB scheide aus, da über die Höhe des "Spritgeldes" keine Angaben gemacht worden seien und es deshalb noch nicht einmal eine Schätzungsgrundlage gebe.

Bei Beschaffungskriminalität müssen Maßregeln geprüft werden

Der 6. Strafsenat bemängelte auch, dass das Landgericht nicht untersucht hatte, ob bei dem Haupttäter eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB in Betracht komme. Liege nach den Feststellungen des Landgerichts eine Cannabisabhängigkeit vor und gebe der Täter als Motiv der Tat die Finanzierung des Konsums an, müssten die Voraussetzungen der Unterbringung geprüft werden. Der BGH verwies die Sache zurück, um mithilfe eines Sachverständigen die Anordnung der Maßregel zu prüfen.

BGH, Beschluss vom 27.07.2021 - 6 StR 307/21

Redaktion beck-aktuell, 7. September 2021.