Bei mehrfachen Berufungen einheitlich zu entscheiden

Werden in einer Sache mehrfach Rechtsmittel bei unterschiedlichen Gerichten eingelegt, muss einheitlich entschieden werden. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden. Die angerufenen Gerichte müssten sich hinsichtlich ihrer Zuständigkeit absprechen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das frühere Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden ist.

Rechtsmittel bei zwei Gerichten in derselben Sache eingelegt

Ein Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft verlangte von einem anderen Bewohner Schadensersatz nach dem Entfernen von Pflanzen auf einer Sondernutzungsfläche. Das AG Buxtehude wies die Klage ab. In der Rechtsmittelbelehrung bezeichnete es die sofortige Beschwerde als zulässigen Rechtsbehelf. Die Bewohnerin legte daraufhin sowohl beim LG Stade als auch beim LG Lüneburg "Rechtsmittel" ein - und teilte dem Gericht in Stade mit, dass in dem anhängigen Parallelverfahren noch keine Entscheidung ergangen sei. Dieses verwarf das als Berufung eingeordnete Rechtsmittel als unzulässig: Es hielt sich für unzuständig. Da es sich um eine WEG-Sache (§ 43 Nr. 1 WEG) handele, sei das LG Lüneburg zuständig, § 72 Abs. 2 GVG. Es bestehe der  erforderliche innere Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer, weil sie sich auf ein Sondernutzungsrecht beziehungsweise auf Sondereigentum an der Grundstücksfläche stütze.

BGH: Berufungsgericht muss einheitlich entscheiden

Die Rechtsbeschwerde vor dem BGH hatte Erfolg. Er verwies die Sache am 26.11.2020 an das LG Lüneburg. Aus Sicht der Bundesrichter durfte das LG Stade den Antrag nicht verwerfen (§ 522 Abs. 1 ZPO), weil das Rechtsmittelverfahren vor dem zuständigen LG Lüneburg noch nicht abgeschlossen war. Die Annahme, dass es jeweils eine Berufung vor den Landgerichten gebe, sei falsch. Vielmehr existiere eine einheitliche Berufung mit zwei anhängigen Verfahren. Mache die Partei von einem Rechtsmittel mehrmals Gebrauch, bevor über dasselbe in anderer Form schon früher eingelegte rechtskräftig entschieden sei, habe das Berufungsgericht über diese Rechtsmittel einheitlich zu entscheiden. Laut BGH gilt das auch dann, wenn sie  - wie hier - bei unterschiedlichen Gerichten eingelegt worden sind.

Zeitgleich anhängige Verfahren müssen koordiniert werden

Erlangt das Rechtsmittelgericht Kenntnis von einer weiteren Rechtsmitteleinlegung in derselben Sache bei einem anderen Gericht, so die BGH-Richter, müssen die zeitgleich anhängigen Rechtsmittelverfahren koordiniert werden, indem die angerufenen Gerichte zunächst ihre Zuständigkeit prüfen. Halte sich eines der Gerichte für unzuständig, habe es die Sache an das andere abzugeben. Sehe sich das Gericht, an das abgegeben werde, als zuständig an, habe es in der Sache über das einheitliche Rechtsmittel und die Kosten zu entscheiden.

Laut BGH war der Beschluss daher aufzuheben. Er weist ferner darauf hin, dass er nicht von einer geborenen Ausübungsbefugnis der WEG ausgehe, wenn und soweit die Frau eigene Schadensersatzansprüche aus einem ihr zustehenden Sondernutzungsrecht an dem beschädigten gemeinschaftlichen Eigentum ableite; denn bei dem Sondernutzungsrecht handele es sich nicht um ein gemeinschaftsbezogenes Recht im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG.

BGH, Beschluss vom 26.11.2020 - V ZB 151/19

Redaktion beck-aktuell, 4. Januar 2021.