BGH: Bei Grund­stücks­ge­schäf­ten kein Ein­ge­hungs­be­trug durch Ab­schluss des no­ta­ri­el­len Kauf­ver­trags

StGB § 263 I

1. Der Ab­schluss eines no­ta­ri­el­len Kauf­ver­trags al­lein be­grün­det bei Grund­stücks­ge­schäf­ten grund­sätz­lich auch bei Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder -un­wil­lig­keit des Käu­fers noch kei­nen Ein­ge­hungs­be­trug, da bei Zug-um Zug-Ge­schäf­ten auf­grund des Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­rechts des Ver­käu­fers kein Ge­fähr­dungs­scha­den ge­ge­ben ist.

2. Eine vor­über­ge­hen­de Ent­zie­hung des Be­sit­zes ist nur dann ver­mö­gens­schä­di­gend, wenn die Sache einen wirt­schaft­li­chen Wert hat und ent­we­der ab­ge­nutzt oder ver­braucht wer­den soll oder wenn für die Be­sitz­über­tra­gung ge­wöhn­lich ein Ent­gelt ver­langt wird und ein sol­ches nicht er­bracht wird.

3. Ver­mö­gens­min­de­run­gen, die nicht durch die Be­sitz­über­las­sung selbst, son­dern durch ge­son­der­te schä­di­gen­de Hand­lun­gen ver­ur­sacht wer­den, sind nicht stoff­glei­che Fol­ge­schä­den, die nur im Rah­men der Straf­zu­mes­sung be­rück­sich­tigt wer­den kön­nen und kei­nen selbst­stän­di­gen Ver­mö­gens­scha­den iSd § 263 StGB dar­stel­len. (Leit­sät­ze der Re­dak­ti­on)

BGH, Be­schluss vom 06.03.2018 - 3 StR 552/17, BeckRS 2018, 9618

An­mer­kung von
Rechts­an­walt Björn Krug, LL.M. (Wirt­schafts­straf­recht), Fach­an­walt für Straf­recht und Steu­er­recht, Ignor & Part­ner GbR, Ber­lin und Frank­furt a.M.

Aus beck-fach­dienst Straf­recht 12/2018 vom 21.06.2018

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Sach­ver­halt

Das LG hat den A wegen Be­tru­ges in zehn Fäl­len zu einer Ge­samt­frei­heits­stra­fe von vier Jah­ren und sechs Mo­na­ten ver­ur­teilt. Da­ge­gen wen­det er sich mit sei­ner auf die Rüge der Ver­let­zung ma­te­ri­el­len Rechts ge­stütz­ten Re­vi­si­on.

Recht­li­che Wer­tung

So­weit der A in den Fäl­len 3 bis 10 der Ur­teils­grün­de ver­ur­teilt wor­den ist, habe die auf­grund der Sach­rü­ge ge­bo­te­ne um­fas­sen­de Nach­prü­fung des Ur­teils kei­nen durch­grei­fen­den Rechts­feh­ler zu sei­nem Nach­teil er­ge­ben. In den Fäl­len 1 und 2 der Ur­teils­grün­de habe die Ver­ur­tei­lung wegen Be­tru­ges hin­ge­gen kei­nen Be­stand, was auch die Auf­he­bung der Ge­samt­stra­fe be­din­ge.

Die Straf­kam­mer habe zum Fall 1 fest­ge­stellt, dass A unter Vor­täu­schung der Zah­lungs­fä­hig­keit und -wil­lig­keit mit dem Zeu­gen L einen no­ta­ri­el­len Ver­trag über den Kauf eines mit einem Ein­fa­mi­li­en­haus be­bau­ten Grund­stücks für einen Kauf­preis von 185.000 EUR schloss, der dem Markt­wert ent­sprach. Zu­guns­ten des A wurde eine Auf­las­sungs­vor­mer­kung ein­ge­tra­gen; der Ver­käu­fer hän­dig­te A sämt­li­che Schlüs­sel für das Haus aus und er­teil­te sein Ein­ver­ständ­nis mit dem vor­zei­ti­gen Be­ginn von Um­bau­ar­bei­ten an dem Ob­jekt. Wie von vor­ne­her­ein be­ab­sich­tigt, zahl­te A den Kauf­preis nicht. Nach­dem L die Lö­schung der Vor­mer­kung habe er­rei­chen kön­nen, ver­kauf­te er das Grund­stück zirka neun Mo­na­te spä­ter an einen Drit­ten für einen Kauf­preis von 167.000 EUR. Er habe des­halb ein ge­rin­ge­res Ent­gelt er­zielt, weil das Ob­jekt in­fol­ge der nicht ab­ge­schlos­se­nen Bau­maß­nah­men „Bau­stel­len­cha­rak­ter" hatte. Auf der Grund­la­ge al­lein die­ser Fest­stel­lun­gen sei ein Ver­mö­gens­scha­den L iSd § 263 I StGB nicht dar­ge­tan. Eine Ver­mö­gens­schä­di­gung sei nicht schon mit dem Ab­schluss des no­ta­ri­el­len Ver­tra­ges ein­ge­tre­ten. Im Fall eines er­schli­che­nen Kauf­ver­tra­ges könne zwar be­reits der Ver­trags­schluss einen Ge­fähr­dungs­scha­den des Ver­käu­fers be­grün­den, wenn seine Ge­gen­for­de­rung (Zah­lung des Kauf­prei­ses) auf­grund man­geln­der Zah­lungs­fä­hig­keit oder -wil­lig­keit des Käu­fers der gegen ihn ent­stan­de­nen For­de­rung (Über­eig­nung und Über­ga­be der Kauf­sa­che) nicht gleich­wer­tig ist. Das gelte indes grds. nicht, wenn der Ver­trag nur zur Zug-um-Zug-Leis­tung ver­pflich­tet. Das Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht si­che­re die in ihrer Bo­ni­tät be­ein­träch­tig­te Ge­gen­for­de­rung. Für Grund­stücks­ge­schäf­te be­deu­te dies, dass in einem no­ta­ri­el­len Kauf­ver­trags­schluss noch kein Ein­ge­hungs­be­trug liegt, wenn – wie im Re­gel­fall – die Ein­tra­gung im Grund­buch von der vor­he­ri­gen Kauf­preis­zah­lung ab­hän­gig ist. Eine Vor­leis­tungs­pflicht des Ver­käu­fers sei hier nicht fest­ge­stellt; in An­be­tracht der ge­ge­be­nen Um­stän­de liege sie im Üb­ri­gen auch fern. Es sei den Ur­teils­grün­den auch nicht zu ent­neh­men, dass L durch die frei­wil­li­ge Über­tra­gung des Be­sit­zes an sei­nem Ver­mö­gen ge­schä­digt wurde. Bei Grund­stücks­ge­schäf­ten, bei denen der Ver­käu­fer im Fall des Aus­blei­bens der Kauf­preis­zah­lung gegen den Ver­lust sei­nes Ei­gen­tums ab­ge­si­chert ist, könne ein Ver­mö­gens­scha­den zwar auch da­durch ent­ste­hen, dass irr­tums­be­dingt dem Käu­fer be­reits vor Er­fül­lung sei­ner Ver­bind­lich­kei­ten der Be­sitz ein­ge­räumt wird. Ein sol­cher Scha­den könne in der hier­mit ver­bun­de­nen Ver­ei­te­lung einer an­der­wei­ti­gen Ver­wer­tung des Grund­stücks und der da­durch ent­gan­ge­nen Nut­zungs­mög­lich­keit zu sehen sein. Der ne­ga­ti­ve Ver­mö­gens­sal­do muss je­doch in Form eines aus­ge­blie­be­nen Ver­mö­gens­zu­wach­ses kon­kret be­stimm­bar sein. Die Ur­teils­grün­de ent­hiel­ten hier­zu keine Fest­stel­lun­gen; selbst die Dauer des vom A aus­ge­üb­ten Be­sit­zes werde nicht mit­ge­teilt. Die Auf­las­sungs­vor­mer­kung ist dies­be­züg­lich ohne Be­deu­tung. An­sons­ten wirke die vor­über­ge­hen­de Ent­zie­hung des Be­sit­zes für sich ge­se­hen ver­mö­gens­schä­di­gend nur dann, wenn die be­trof­fe­ne Sache einen wirt­schaft­li­chen Wert hat und ent­we­der – teil­wei­se – ab­ge­nutzt oder ver­braucht wer­den soll oder wenn die kon­kre­te Be­sitz­über­tra­gung im Ge­schäfts­ver­kehr ge­wöhn­lich an ein Ent­gelt ge­knüpft ist und ein sol­ches nicht er­bracht wird. Beide Va­ri­an­ten seien hier nicht ge­ge­ben. Weder un­ter­lie­ge ein be­bau­tes Grund­stück bei einer Be­sitz­über­las­sung von ma­xi­mal neun Mo­na­ten be­stim­mungs­ge­mäß der Ab­nut­zung oder dem Ver­brauch, noch war nach den Fest­stel­lun­gen für die vor­zei­ti­ge Über­ga­be eine geld­wer­te Ge­gen­leis­tung ver­ein­bart; dies sei bei einem Grund­stücks­kauf auch nicht üb­lich. An­ders als die Straf­kam­mer an­ge­nom­men hat, könne der Be­trugs­scha­den eben­so wenig in der Dif­fe­renz zwi­schen dem zu­nächst mit A ver­ein­bar­ten und dem spä­ter von einem Drit­ten er­ziel­ten Kauf­preis ge­se­hen wer­den, auch wenn sich darin der Wert­ver­lust in­fol­ge der – of­fen­sicht­lich un­sach­ge­mäß aus­ge­führ­ten – Um­bau­ar­bei­ten nie­der­schla­gen soll­te. Eine durch die Bau­maß­nah­men ver­ur­sach­te Ver­mö­gens­min­de­rung an dem Grund­stück stel­le einen – zu dem vom A er­streb­ten Vor­teil nicht „stoff­glei­chen" – Fol­ge­scha­den dar. Sie sei nicht das un­mit­tel­ba­re Er­geb­nis der Be­sitz­über­las­sung, son­dern be­ru­he auf ge­son­der­ten schä­di­gen­den Hand­lun­gen des A. Ein sol­cher Fol­ge­scha­den kann le­dig­lich im Rah­men der Straf­zu­mes­sung „als ver­schul­de­te Aus­wir­kung der Tat" (§ 46 II StGB) von Be­deu­tung sein.

Nach den Fest­stel­lun­gen zu Fall 2 be­stell­te A, als er bei der Firma „G." be­schäf­tigt war, unter Vor­täu­schung der Zah­lungs­fä­hig­keit und -wil­lig­keit bei der Firma „D." Wer­be­auf­schrif­ten zu einem Ge­samt­preis von 2.123 EUR; diese „soll­ten auf die Firma 'G.' lau­ten". Ein Teil der Auf­schrif­ten seien dem A im Ver­trau­en auf die Zah­lung des Ent­gelts über­ge­ben wor­den. Sei­ner vor­ge­fass­ten Ab­sicht ent­spre­chend habe je­doch weder er noch die Firma „G." die Zah­lungs­ver­pflich­tung er­füllt. Auf der Grund­la­ge die­ser Fest­stel­lun­gen lasse sich nicht ab­schlie­ßend be­ur­tei­len, ob der Firma „D. " ein Ver­mö­gens­scha­den im Sinne des § 263 I StGB ent­stan­den sei. Ein tat­be­stand­li­cher Ver­mö­gens­scha­den trete ein, wenn die Ver­mö­gens­ver­fü­gung des Ge­täusch­ten bei wirt­schaft­li­cher Be­trach­tung un­mit­tel­bar zu einer nicht durch Zu­wachs aus­ge­gli­che­nen Min­de­rung des Ge­samt­werts sei­nes Ver­mö­gens führt (Prin­zip der Ge­samt­sal­die­rung). Ma­ß­geb­lich sei der Zeit­punkt der Ver­mö­gens­ver­fü­gung, also der Ver­gleich des Ver­mö­gens­werts un­mit­tel­bar vor und nach der Ver­fü­gung. In dem zu be­ur­tei­len­den Fall komme in Be­tracht, dass die Firma „D." un­mit­tel­bar mit dem Ver­trags­schluss einen fäl­li­gen und durch­setz­ba­ren Zah­lungs­an­spruch gegen die Firma „G." in der ver­ein­bar­ten Höhe er­langt hat, soll­te A für diese mit Ver­tre­tungs­macht ge­han­delt haben. Grund­la­ge der Ver­tre­tungs­macht könn­te ins­be­son­de­re eine dem A er­teil­te Voll­macht ge­we­sen sein. Zur Be­schäf­ti­gung des A bei der Firma „G." ver­hiel­te sich das Ur­teil indes nicht. Es werde schon nicht mit­ge­teilt, in wel­cher Funk­ti­on er für sie tätig war. Es könne auch auf­grund des Ge­samt­zu­sam­men­hangs der Ur­teils­grün­de nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass ein wert­hal­ti­ger An­spruch gegen die Ar­beit­ge­be­rin des A be­stand. Hier­für be­steht ins­be­son­de­re des­halb ein An­halt, weil sie er­sicht­lich durch den Ver­trag be­güns­tigt wurde. Die Wer­be­auf­schrif­ten lau­te­ten auf die Firma „G."; für A waren sie nicht ohne wei­te­res per­sön­lich vor­teil­haft.

Pra­xis­hin­weis

Der zur Scha­dens­dog­ma­tik im Be­trug sehr le­sens­wer­ten und tief be­grün­de­ten Ent­schei­dung des 3. Straf­se­nats ist zu­zu­stim­men. Es kommt für die Frage eines Ein­ge­hungs­be­trugs im Zeit­punkt eines Ver­trags­schlus­ses dar­auf an, ob ein Ver­käu­fer hin­rei­chend ge­si­chert ist (zu Grund­stü­cken vgl. BGH BeckRS 1991, 31097158) bzw. ob ihm ein wert­hal­ti­ger Ge­gen­an­spruch zu­steht (zu Dar­le­hen vgl. BGH BeckRS 2017, 124936). Ist dies der Fall, sind die ent­spre­chen­den wech­sel­sei­ti­gen An­sprü­che prä­zi­se fest­zu­stel­len und recht­lich zu wer­ten. Darin liegt zu­gleich ein aus Sicht der Ver­tei­di­gung mög­li­cher Ver­tei­di­gungs­an­satz, denn häu­fig wer­den die Fest­stel­lun­gen hier­zu zu­min­dest tat­säch­lich schwie­rig sein oder Pro­ble­me bei ihrer Be­wer­tung der Höhe nach mit sich brin­gen, ggf. sind sie sogar aus­ge­schlos­sen.

Redaktion beck-aktuell, 29. Juni 2018.

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