Begründung einer Unterbringung wegen Selbstgefährdung

Die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung erfordert konkrete Anhaltspunkte für die Gefahr des Eintritts eines erheblichen Gesundheitsschadens. Lediglich abstrakte Ausführungen zu selbstschädigenden Handlungen sowie krisenhaften Krankheitsschüben sind laut Bundesgerichtshof unzureichend.

Unterbringung für ein Jahr und zweiwöchige Zwangsmedikation

Ein schizophrener und substanzmittelabhängiger Mann klagte gegen seine Unterbringung sowie gegen die vom Amtsgericht Göttingen genehmigte Zwangsmedikation. Er hatte einen Betreuer. Zwischen 2009 und 2013 sowie zwischen 2018 und 2021 befand er sich mehrfach in stationärer Behandlung, nachdem er zuvor seine antipsychotischen Medikamente abgesetzt hatte. Im Januar 2022 genehmigte das AG auf Antrag des Betreuers einstweilen die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis zum 18.04.2022. Im März und April 2022 genehmigte es ebenfalls vorläufig dessen Zwangsmedikation für die Dauer von jeweils zwei Wochen. Der Betreuer verlangte die Verlängerung der geschlossenen Unterbringung sowie eine weitere Zwangsbehandlung.

LG: Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schäden

Das AG gab dem Antrag bis längstens 12.04.2023 statt und erlaubte die antipsychotische Zwangsmedikation bis längstens 24.05.2022. Am 26.04.2022 legte der Betroffene gegen den "Bescheid … Widerspruch" ein und teilte mit, dass "die Unterbringung für ein Jahr nicht notwendig" sei. Das LG Göttingen verkürzte die Unterbringung bis höchstens zum 27.03.2023. Aus dem Sachverständigengutachten ergebe sich, dass ohne Fortführung der Behandlung das Auftreten massiver Krisen mit der Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schädigung in hohem Maße wahrscheinlich sei. Die Rechtsbeschwerde des Erkrankten beim BGH hatte größtenteils Erfolg und führte zur Zurückverweisung.

Keine konkreten Anhaltspunkte für erheblichen Gesundheitsschaden

Dem XII. Zivilsenat zufolge war die geschlossene Unterbringung des LG nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. (§ 1831 BGB) zu Unrecht erfolgt. Dessen abstrakt und formelhaft bleibenden Ausführungen zu den "Fehlhandlungen" und "massiven Krisen", die bei einem Unterbleiben der weiteren Behandlung für den Schizophrenen zu erwarten wären, ergäben keine konkreten Hinweise auf selbstschädigende Handlungen und Auswirkungen eines krisenhaften Krankheitsschubs, monierten die Bundesrichter. Darüber hinaus verwarfen sie den Rechtsbehelf als unzulässig, soweit er auf die Rechtswidrigkeit der mittlerweile durch Zeitablauf erledigten Zwangsmedikation abzielte. Das LG Göttingen habe nicht über diese Frage entschieden. Es müsse nochmals prüfen, ob der Antrag nicht auch gegen die Medikamentengabe gerichtet gewesen sei. Ob die Unterbringung auf die Vornahme einer Heilbehandlung oder die Durchführung einer Zwangsbehandlung gestützt werden kann, müsse die Vorinstanz ebenfalls näher prüfen.

BGH, Beschluss vom 30.11.2022 - XII ZB 257/22

Redaktion beck-aktuell, 27. Januar 2023.

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