Befangenheitsanträge gegen BGH in Dieselverfahren gescheitert

In 17 Verfahren um den sogenannten Diesel-Skandal hat der Bundesgerichtshof Befangenheitsanträge gegen den VI. Zivilsenat zurückgewiesen. In der Bitte an Untergerichte, die Verfahren um die Abgasmanipulationen – soweit möglich – zurückzustellen, hat er keinen Hinweis auf die Parteilichkeit des Senats gesehen.

BGH bittet um Zurückstellung der Verfahren

Der Vorsitzende des VI. Zivilsenats, Stephan Seiters, beklagte dem damaligen Präsidenten des OLG Dresden Gilbert Häfner gegenüber die hohen Eingangszahlen von "Dieselverfahren". Diese würden im April 2020 bereits das durchschnittliche Jahrespensum eines BGH-Zivilsenats um das Anderthalbfache übersteigen, sagte er. Er sei bemüht, so schnell wie möglich Grundsatzentscheidungen zu treffen. Der Senat sei insoweit "dankbar für jedes Verfahren, dass von den Berufungsgerichten zunächst zurückgestellt werden" könne. Der Adressat leitete diese Bitte an die Kollegen der anderen Oberlandesgerichte und des Kammergerichts weiter mit dem Hinweis, dass ein weiteres "Zuschütten des BGH" mit diesen Verfahren zu "schwierigen Verhältnissen" führen dürfte. Er ging davon aus, dass alle Instanzurteile angefochten werden und die Gerichte lediglich "die Rolle eines bloßen Durchlauferhitzers für die nächste Instanz" spielen würden. Die auf Schadensersatz klagenden Dieselkäufer in 17 Verfahren lehnten den gesamten VI. Zivilsenat daraufhin ab, weil sie ihn für voreingenommen hielten - ohne Erfolg.

Kein Anlass für Zweifel an Unparteilichkeit

Laut BGH kann es sachgerecht sein, aus einer Vielzahl von Verfahren Musterverfahren auszuwählen, um grundsätzliche Rechtsfragen übergreifend zu klären. Insoweit sei nicht zu vermeiden, dass die übrigen gleichgelagerten Fälle einstweilen zurückgestellt würden. Selbst wenn sich später herausstelle, dass die Pilotverfahren gar nicht so förderlich waren, sei das unschädlich: Maßgebend sei allein, dass die gewählte Vorgehensweise zum Zeitpunkt der Auswahl vernünftig und zweckmäßig war. Eine solche prozessökonomische Maßnahme schade dem Anliegen der Parteien auch nicht, so die Karlsruher Richter, weil keine inhaltliche Bewertung der Verfahren vorgenommen werde. Aus dieser Maßnahme entstehe somit kein Grund zur Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 1 Fall 2, Abs. 2 ZPO.

Keine Aufforderung an die Untergerichte, den Musterentscheidungen zu folgen

Aufgabe eines Revisionsgerichts sei es, durch Leitentscheidungen für Rechtsfortbildung und Rechtseinheitlichkeit zu sorgen. Der Vorsitzende des VI. Zivilsenats habe mit seinem Ansinnen jedoch nicht den Eindruck vermitteln wollen, mit seinen Entscheidungen den gesamten "Diesel-Komplex" zu klären: Dem stehe das Richterbild des Grundgesetzes in Art. 97 Abs. 1 GG und § 25 DRiG als unabhängiger Richter eines jeden Gerichts gegenüber. 

BGH, Beschluss vom 09.12.2020 - VI ZR 24/20

Redaktion beck-aktuell, 26. Januar 2021.