Befangenheit eines Richters bei Vorbefassung der Ehefrau

Muss ein Richter in einer Sache entscheiden, über die seine Ehefrau in der Vorinstanz als Mitglied eines Kollegialgerichts ein Urteil gefällt hat, ist die Besorgnis der Befangenheit nicht zwingend. Der Bundesgerichtshof beurteilt es aber anders, wenn die Vorentscheidung einstimmig ergangen ist, da dann die Frau nach außen dokumentiert habe, dass sie die Entscheidung selbst verantwortet. Die Parteien könnten daher die Sorge haben, dass ihr Mann voreingenommen ist.

Ehefrau hat an angegriffener Entscheidung mitgewirkt

Die Klägerin stritt sich erfolgreich mit ihrem Vertragspartner vor dem LG Hamburg um eine Provision. Die Berufung des Beklagten vor dem OLG Hamburg wurde nach entsprechendem Hinweis einstimmig zurückgewiesen. Der Beklagte kämpfte nun über die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH weiter. Problematisch dabei: Einer der zuständigen Bundesrichter war der Ehemann einer der Richterinnen am OLG Hamburg, die an der angegriffenen Entscheidung mitgewirkt hatte. Der Richter am BGH zeigte diesen Sachverhalt an und lehnte sich selbst ab. Auch die Parteien sahen einen Befangenheitsgrund gegeben. Der BGH erklärte die Ablehnungsgesuche für begründet.

Entscheidung als Mitglied eines Kollegialgerichts oder als Einzelrichter getroffen?

Der I. Zivilsenat unterscheidet grundsätzlich zwischen Entscheidungen, die der Ehegatte als Mitglied eines Kollegialorgans oder als Einzelrichter allein zu verantworten hatte. Im letzteren Fall könne aus Sicht der Partei bei dem jetzt zuständigen Richter eine Solidaritätsneigung für den Ehepartner entstehen. Grundsätzlich sei dieses bei Kollegialentscheidungen nicht zu erwarten. Ausnahmsweise sieht der BGH die Gefahr des bösen Scheins aber auch hier, weil der Beschluss, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, einstimmig erfolgt. Seine Frau habe selbst wie eine Einzelrichterin – auch nach außen hin – die Verantwortung für die angefochtene Entscheidung übernommen. Dieses begründet die Besorgnis der Befangenheit des Bundesrichters nach § 42 Abs. 2 ZPO. Das Misstrauen bestehe grundsätzlich auch aus Sicht der obsiegenden Partei, weil nicht auszuschließen sei, dass der Bundesrichter – um jeden Anschein einer Voreingenommenheit vorzubeugen – der Position des Beklagten nähertrete.

BGH, Beschluss vom 09.02.2023 - I ZR 142/22

Redaktion beck-aktuell, 9. März 2023.