Beeinflussbarkeit macht Schenkung sittenwidrig?
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Ein Zustand von Willensschwäche oder leichter Beeinflussbarkeit kann für die Beurteilung, ob eine Grundstücksschenkung sittenwidrig ist oder nicht, von Bedeutung sein. Der Bundesgerichtshof hob ein Urteil auf, indem über eine behauptete vorübergehende kognitive Beeinträchtigung kein Beweis erhoben worden war, obwohl es genügend konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit gab. Selbst wenn die Fähigkeit zur Willensbildung nur eingeschränkt gewesen sein sollte, so der BGH, könne dies auch für die Sittenwidrigkeit der Schenkung eine Rolle spielen. Insoweit seien auch die Motive der Leistungsempfängerin in den Blick zu nehmen.

Im Krankenhaus Grundstücke verschenkt

Ein 90-jähriger Mann hatte mehrere Immobilien, die er vermietete. Drei Jahre zuvor hatte er eine Frau kennengelernt, die sich um die Verwaltung seiner Häuser und sein persönliches Wohl kümmerte. 2018 bekam er eine Lungenentzündung und musste ins Krankenhaus. Dort erteilte er seiner Partnerin zunächst eine Vorsorgevollmacht. Er wurde auf die Intensivstation verlegt, wo er die Vollmacht mithilfe einer seiner Töchter widerrief. Einige Tage später beantragte er notariell die Annahme seiner Lebensgefährtin als Tochter. Zurück auf der normalen Station übertrug er ihr dann – auch notariell – im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zwei seiner Grundstücke. Nach der Eintragung ins Grundbuch widerrief er alle seine im Krankenhaus vorgenommenen Erklärungen, die er zugunsten seiner Partnerin abgegeben hatte, und berief sich dabei auf seine krankheitsbedingte Geschäftsunfähigkeit. Außerdem habe sie ihm gedroht, ihn zu verlassen, wenn er seine Unterschriften nicht leiste. Sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht Köln scheiterte er mit der Forderung auf Rückübertragung seiner Grundstücke. Erst der BGH hatte ein Einsehen und verwies die Sache zurück.

Konkrete Anhaltspunkte für Geschäftsunfähigkeit genügen für Beweisaufnahme

Der X. Zivilsenat stellte heraus, dass es genügt, wenn der Kläger konkrete Anhaltspunkte dafür benennt, dass er bei der Schenkung geschäftsunfähig nach § 104 Nr. 2, § 105 Abs. 2 BGB gewesen sein könnte. Sein Vortrag zum Krankheitsverlauf, zu den im Krankenhaus erhobenen Befunden und die Vorlage eines Attests zu seinen kognitiven Einschränkungen reiche aus, um seine Geschäftsunfähigkeit als naheliegend erscheinen zu lassen. Das OLG hätte daher dem Antrag des alten Mannes auf ein Sachverständigengutachten zur Geschäftsunfähigkeit folgen müssen. Ohne eigene Sachkunde kann das Gericht laut den Karlsruher Richtern hier die Beweisaufnahme nicht ablehnen und die Geschäftsfähigkeit einfach bejahen. 

Sittenwidrigkeit kann sich auch aus Motiven der Empfängerin ergeben

Ein weiterer Mangel besteht dem BGH zufolge darin, dass die Vorinstanz es versäumt habe, die Motive der Beschenkten in die Würdigung der Grundstücksgeschäfte einzustellen. Die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB bestimme sich nicht nur nach den Motiven des Schenkers, sondern auch mit Blick auf § 138 Abs. 2 BGB nach den Gründen der Empfängerin. Gerade wenn die freie Willensbildungsfähigkeit des Schenkers infrage steht, kann laut den Karlsruher Richtern bedeutsam sein, ob eine eigensüchtige Ausnutzung dieser Lage vorliegt. Der BGH hob das Urteil deshalb auf und verwies es zur Klärung dieser Fragen zurück.

BGH, Urteil vom 26.04.2022 - X ZR 3/20

Redaktion beck-aktuell, 25. Juli 2022.