Bedingter Tötungsvorsatz bei Polizeiflucht
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Wer bei einer Flucht vor der Polizei mit einem Auto auf einem Radweg einen Fußgänger verletzt, handelt nicht per se wegen der Gefährlichkeit seines Tuns mit Tötungswillen. Der Bundesgerichtshof macht einmal mehr deutlich, dass die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes eine umfassende Würdigung aller Tatumstände erfordert.

Wilde Verfolgungsjagd auf dem Radweg

Ein Mann fuhr Auto, ohne eine Fahrerlaubnis zu besitzen. Als er in eine Polizeikontrolle geriet, floh er erst bei "rot" über eine Kreuzung, dann überholte er einen anderen Wagen und beschädigte diesen. Die filmreife Verfolgungsjagd mit der Polizei mündete in einer Sackgasse, die aber nach Durchbrechen zweier Metallpfosten in einen kombinierten Fuß- und Radweg überging. Der 3,20 Meter breite Weg war mit Pflanzen und teilweise mit einem Geländer begrenzt und recht kurvig, so dass man ihn nicht weit einsehen konnte. Trotzdem "raste" der Flüchtende mit 30-40 km/h weiter. Sein Auto war 2,03 Meter breit. Auf einer Autobahnbrücke befanden sich drei Personen an unterschiedlichen Standorten, davon saß einer in einem 60 cm breiten Rollstuhl. Der Mann fuhr weiter, ohne die Fußgänger zu warnen. Einer machte unvermittelt einen Schritt zur Mitte des Weges, wurde von dem Wagen erfasst und schwer verletzt. Den anderen beiden konnte der Fahrer ausweichen und weiter flüchten. Das Landgericht Duisburg verurteilte ihn deshalb unter anderem wegen versuchten Mordes in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren. Seine Revision vor dem Bundesgerichtshof war erfolgreich.

Tötungswille nur anhand aller Umstände zu bestimmen

Der 4. Strafsenat bemängelte, dass das Landgericht aus der Gefährlichkeit der Fahrt pauschal auf den Tötungswillen des Fahrers im Hinblick auf drei Menschen geschlossen hatte. Das sei eine unzulässig verkürzte Betrachtungsweise. Das Gericht hätte sich umfassend mit der Vorstellung des Fahrers zum Zeitpunkt der Tat befassen müssen. Die bewussten Fahrmanöver, die der Mann unternahm, um den Fußgängern auszuweichen und auch die Tatsache, dass der Verletzte unmittelbar vor der Kollision in die Mitte des Weges trat, hätten berücksichtigt werden müssen. Die Einlassung des Fahrers, dass er auf ein Ausbleiben eines tödlichen Unfallgeschehens vertraut habe, sei auch im Hinblick auf die geringe Fahrgeschwindigkeit nicht von der Hand zu weisen. Der BGH verwies die Sache deshalb zurück.

BGH, Urteil vom 30.07.2021 - 4 StR 333/20

Redaktion beck-aktuell, 24. August 2021.