Der dümmste anzunehmende User (DAU) ist in der IT seit langem ein feststehender Begriff. Und die alte IT-Weisheit, dass in vielen Fällen eher der User das Problem ist als das Programm, stimmt gelegentlich offenbar auch beim beA – manchmal sogar in dessen wilder Anfangszeit. Der Familiensenat des BGH mochte nach der Lektüre eines Faxes einer Anwältin in eigener Sache vom Mai 2022 an das OLG Zweibrücken jedenfalls nicht ausschließen, dass es eher an der Benutzerin und nicht am elektronischen Anwaltspostfach lag, dass die digitale Übermittlung ihrer Beschwerdebegründung gescheitert war. Die Karlsruher Richterinnen und Richter (Beschluss vom 17.01.2024 – XII ZB 88/23) sahen weder einen Grund, die Ersatzeinreichung per Fax zu akzeptieren, noch Wiedereinsetzung zu gewähren.
Nachdem das Familiengericht einem Antrag der Juristin auf Zugewinnausgleich nur teilweise stattgegeben hatte, legte sie in zweiter Instanz beim Familiensenat des OLG selbst Hand an – ihre Prozessbevollmächtigte hatte zuvor das Mandat niedergelegt. Doch sie konnte nicht übers beA versenden, sondern nutzte schließlich am 27. Mai das Fax. Ihre Begründung für den Anfang einer Kaskade von Ereignissen, die zur Bestellung einer neuen Karte geführt hat: Der "Fehlbedienungszähler" (der bei dreimaliger falscher Eingabe der PIN die Karte sperrt, siehe die Seite des bea-Supports) sei abgelaufen. Das "Secure Framework" habe ein Update gewollt, sich aber wegen "Problemen am PC" auch nicht deinstallieren lassen. Die Zertifizierungsstelle habe ihr dann am 25. Mai geschrieben: "Wie telefonisch besprochen übersenden wir Ihnen die Anleitung. Sollten Sie Ihre PIN dreimal falsch eingegeben haben, wird die PIN-Eingabe gesperrt. Um die PIN-Eingabe wieder freizuschalten, wird die PUK aus dem PIN-Brief benötigt." Weiter hätten sie ihr eine Anleitung (aktuelle Version hier) zur Zurücksetzung des Fehlbedienungszählers geschickt.
Nachdem sich ein IT-Fachmann der Zertifizierungsstelle am selben Tag nicht zur vereinbarten Zeit gemeldet habe, habe sie auf Anraten der Stelle die Karte bei der Bundesnotarkammer sperren lassen (Begründung "falscher Zugangscode") und kostenpflichtig Ersatz bestellt. Erst am 4. Juli meldete sie Einsatzbereitschaft – da wäre die bis zum 3. Juni laufende Frist lange abgelaufen gewesen.
Nach Lesart des BGH ließ diese Erzählung aber sowohl die Interpretation zu, dass das System in der Kanzlei zuvor noch nie getestet worden und nicht mehr aktuell war, als auch technisches Unverständnis aufseiten der Benutzerin: Sie sei nicht darauf eingegangen, ob "sie – wie von der Zertifizierungsstelle vorgeschlagen - überhaupt versucht" habe, durch Einsatz der PUK ihre Karte wieder freizuschalten. Der XII. Zivilsenat schrieb Anwälten erneut ins Stammbuch: Die Ersatzeinreichung soll technische Störungen des Systems abfedern – Bedienfehler fallen nicht hierunter. Außerdem muss das System auf dem laufenden Stand gehalten werden.