Bauteilöffnung durch gerichtlichen Gutachter

Lehnt ein Eigentümer die notwendige Bauteilöffnung eines Hausfundaments durch einen Sachverständigen auf sein Risiko ab, muss ein Gericht den Gutachter nicht auf dessen Risiko zur Vornahme anweisen. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23.09.2020 entschieden.

Überflutung in Einfamilienhaus

Eine Eigentümerin nahm einen Wohngebäudeversicherer auf Schadensersatz wegen eines Hochwasserschadens in Anspruch. Bei ihm hatte sie ihr Einfamilienhaus über eine Gebäudeversicherung abgesichert. Für den Versicherungsfall sah § 27 Ziffer 1 a) der Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen eine Entschädigung unter Anrechnung der Restwerte bei beschädigten Gebäuden vor. Im Juni 2013 kam es zu einem Überflutungsschaden am versicherten Domizil. Die Versicherte behauptete, das Haus sei durch den Wassereintritt am Fundament zerstört worden. Die Versicherung müsse nun - so die Geschädigte - für alle Schäden unter Anrechnung der Restwerte eintreten. Die Assekuranz wandte ein, das Haus sei lediglich beschädigt worden. Die entsprechenden Reparaturkosten habe sie gezahlt.

Bauteilöffnung auf eigenes Risiko abgelehnt

Das LG Hannover holte ein Sachverständigengutachten ein. Die Expertin hielt die Öffnung des Fundaments für notwendig. Aufgrund des hohen Risikos von Schäden am Gebäude teilte sie den Beteiligten mit: "Das Öffnen, Freilegen und Schließen von Bauteilen kann dabei in jedem Fall nur auf alleinige Gefahr der beweisführenden Partei geschehen. Für die Arbeiten, Messungen usw. kann die SV keine Haftung übernehmen." Daraufhin lehnte die Versicherte die Untersuchung ab.

Das LG wies die Klage überwiegend ab: Bei einer Begehung des Hauses hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Beschädigung des Fundaments ergeben. Die dagegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Celle keinen Erfolg. Die Eigentümerin habe keinen Anspruch auf weitergehende Versicherungsleistungen für eine Wiederherstellung des Hauses. Eine Zerstörung des Gebäudes liege nur dann vor, wenn eine Reparatur technisch nicht möglich oder wirtschaftlich unvertretbar sei. Beides habe die Versicherungsnehmerin nicht bewiesen.

BGH: Besonderes Haftungsrisiko für den Sachverständigen

Das sah der BGH genauso und wies die Revision zurück. Aus Sicht der Karlsruher Richter hat das OLG Celle rechtsfehlerfrei die Eigentümerin als beweisfällig angesehen, nachdem diese die für eine weitergehende Begutachtung durch die Gutachterin notwendige Bauteilöffnung nicht vorgenommen hat. Es habe insoweit zu Recht davon abgesehen, die Sachverständige zur Vornahme der Bauteilöffnung gemäß § 404a ZPO anzuweisen. Insoweit habe sich das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die auf Grundlage des gerichtlichen Gutachtens getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gebunden sehen dürfen.

Den Bundesrichtern zufolge kann offenbleiben, ob das grundsätzliche Weisungsrecht des Gerichts nach § 404a Abs. 1 ZPO auch die Befugnis umfasst, einen Sachverständigen speziell zur Vornahme einer Bauteilöffnung anzuweisen, soweit diese für die Begutachtung erforderlich ist. Selbst wenn man dieses annähme, so sei die von Amts wegen zu treffende Entscheidung darüber jedenfalls in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt. Laut dem IV. Zivilsenat hielt sich das Berufungsgericht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens, als es den mit der Bauteilöffnung verbundenen besonderen Gefahren und daraus resultierenden Haftungsrisiken für die Sachverständige ausschlaggebendes Gewicht gegen die Erteilung einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO beigemessen hat.

BGH, Urteil vom 23.09.2020 - IV ZR 88/19

Redaktion beck-aktuell, 15. Oktober 2020.