BGH: Aus­zah­lung der To­des­fall­leis­tung aus einer Ri­si­ko­le­bens­ver­si­che­rung

ALB § 7 VIII; BGB § 307 I 1, II

Eine Klau­sel in All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen einer Ri­si­ko­le­bens­ver­si­che­rung, nach der ein Be­zugs­be­rech­tig­ter nach dem Ab­le­ben des Ver­si­che­rungs­neh­mers als be­voll­mäch­tigt zur Ent­ge­gen­nah­me von Rück­tritts- oder An­fech­tungs­er­klä­run­gen gilt, kann nach einem Ur­teil des Bun­des­ge­richts­ho­fes nicht so aus­ge­legt wer­den, dass im Falle einer Si­che­rungszes­si­on Be­zugs­be­rech­tig­ter nur noch der Si­che­rungszes­sio­nar ist.

BGH, Ur­teil vom 07.02.2018 - IV ZR 53/17 (OLG Saar­brü­cken), BeckRS 2018, 1528

An­mer­kung von
Rechts­an­walt Hol­ger Grams, Fach­an­walt für Ver­si­che­rungs­recht, Mün­chen

Aus beck-fach­dienst Ver­si­che­rungs­recht 5/2018 vom 08.03.2018

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Sach­ver­halt

Die kla­gen­de Spar­kas­se ver­langt von dem be­klag­ten Ver­si­che­rer aus ab­ge­tre­te­nem Recht die Aus­zah­lung der To­des­fall­leis­tung aus einer 2007 ab­ge­schlos­se­nen Ri­si­ko­le­bens­ver­si­che­rung. Die vor dem Ab­schluss vom Ver­si­che­rer ge­stell­ten Ge­sund­heits­fra­gen ver­nein­te die Ver­si­che­rungs­neh­me­rin. Als be­zugs­be­rech­tig­te Per­son im To­des­fall be­nann­te sie ihren Ehe­mann. In § 7 Abs. 8 der Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen ALB ist be­stimmt, dass ein Be­zugs­be­rech­tig­ter nach dem Tod des Ver­si­che­rungs­neh­mers als be­voll­mäch­tigt gilt, eine Rück­tritts- oder An­fech­tungs­er­klä­rung vor­zu­neh­men, so­fern dem Ver­si­che­rer keine an­de­re Per­son als Be­voll­mäch­tig­ter be­nannt wurde.

2008 trat die Ver­si­che­rungs­neh­me­rin die An­sprü­che aus dem Ver­si­che­rungs­ver­trag für den To­des­fall an die Klä­ge­rin ab. Die Ab­tre­tung wurde der Be­klag­ten an­ge­zeigt. Die Ver­si­che­rungs­neh­me­rin er­klär­te darin, dass sie das Be­zugs­recht zu­guns­ten ihres Ehe­man­nes für die Dauer der Ab­tre­tung wi­der­ru­fe, so­weit es den Rech­ten der Spar­kas­se ent­ge­gen­ste­he. 2013 ver­starb die Ver­si­che­rungs­neh­me­rin durch Sui­zid. Die Klä­ge­rin for­der­te die Be­klag­te zur Aus­zah­lung der Ver­si­che­rungs­leis­tung auf. Die Be­klag­te er­klär­te ge­gen­über dem Ehe­mann der Ver­si­che­rungs­neh­me­rin die An­fech­tung des Ver­si­che­rungs­ver­tra­ges wegen arg­lis­ti­ger Täu­schung, weil diese bei An­trag­stel­lung meh­re­re vor­aus­ge­gan­ge­ne Sui­zid­ver­su­che ver­schwie­gen hatte. Die Klä­ge­rin ist der Auf­fas­sung, der Ehe­mann sei be­reits nicht der rich­ti­ge An­fech­tungs­geg­ner ge­we­sen. Das Land­ge­richt gab der Klage statt, das Ober­lan­des­ge­richt wies sie ab.

Recht­li­che Wer­tung

Auf die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin hob der BGH das OLG-Ur­teil auf und ver­wies die Sache an das OLG zu­rück. Die Be­klag­te habe die An­fech­tung trotz der an­ge­zeig­ten Si­che­rungs­ab­tre­tung ge­gen­über dem be­zugs­be­rech­tig­ten Ehe­mann der Ver­si­che­rungs­neh­me­rin er­klä­ren kön­nen. Die­ser sei gemäß § 7 Abs. 8 ALB emp­fangs­be­voll­mäch­tigt ge­we­sen. Durch die Si­che­rungs­ab­tre­tung sei die Klä­ge­rin nicht al­lei­ni­ge oder vor­ran­gi­ge Emp­fangs­be­voll­mäch­tig­te nach § 7 Abs. 8 ALB ge­wor­den. Die Klau­sel könne nicht so aus­ge­legt wer­den, dass im Falle einer Si­che­rungszes­si­on nur noch der Si­che­rungszes­sio­nar Be­zugs­be­rech­tig­ter sei. Ein durch­schnitt­li­cher Ver­si­che­rungs­neh­mer ver­ste­he die Mit­tei­lung einer Si­che­rungs­ab­tre­tung an den Ver­si­che­rer je­den­falls nicht so, dass er damit den Zes­sio­nar zu­gleich als al­lei­ni­gen oder vor­ran­gi­gen Emp­fangs­be­voll­mäch­ti­gen für Rück­tritts- oder An­fech­tungs­er­klä­run­gen be­nen­ne. Der Ver­si­che­rer wolle sich er­kenn­bar auf die Emp­fangs­voll­macht eines ihm be­nann­ten Be­zugs­be­rech­tig­ten ver­las­sen kön­nen und nicht auf­grund einer mit­ge­teil­ten Si­che­rungs­ab­tre­tung nach Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­fal­les prü­fen müs­sen, ob und in wel­chem Um­fang die ge­si­cher­ten For­de­run­gen noch be­stehen und ob der Si­che­rungs­neh­mer die ihm ab­ge­tre­te­nen An­sprü­che ver­wer­ten will.

Mit die­ser Aus­le­gung halte § 7 Abs. 8 ALB einer In­halts­kon­trol­le stand. Klau­seln in einer Le­bens­ver­si­che­rung, die den Ver­si­che­rer be­rech­ti­gen, nach dem Tod des Ver­si­che­rungs­neh­mers davon aus­zu­ge­hen, dass die­ser be­stimm­te Per­so­nen zur Ent­ge­gen­nah­me von Wil­lens­er­klä­run­gen des Ver­si­che­rers nach Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­fal­les be­voll­mäch­tigt hat, seien grund­sätz­lich recht­lich un­be­denk­lich (BGH, Ur­teil vom 24.03.1993 – IV ZR 36/92, r+s 1993, 436; Ur­teil vom 05.05.1982 – IVa ZR 264/80, NJW 1982, 2314). Durch eine sol­che Be­stim­mung werde der Ver­si­che­rungs­neh­mer nicht gegen Treu und Glau­ben gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt. § 7 Abs. 8 Satz 1 ALB wei­che nicht von einer ge­setz­li­chen Re­ge­lung ab und schrän­ke auch nicht we­sent­li­che Rech­te und Pflich­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers aus dem Ver­si­che­rungs­ver­trag so ein, dass die Er­rei­chung des Ver­trags­zwecks ge­fähr­det ist.

Die Sache wurde an das OLG zu­rück­ver­wie­sen, weil die­ses keine aus­rei­chen­den Fest­stel­lun­gen zu den sub­jek­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen einer arg­lis­ti­gen Täu­schung sei­tens der Ver­si­che­rungs­neh­me­rin be­züg­lich der ver­schwie­ge­nen Sui­zid­ver­su­che ge­trof­fen habe.

Pra­xis­hin­weis

Die Ent­schei­dung steht im Ein­klang mit der Recht­spre­chung des IV. Zi­vil­se­nats zur Kol­li­si­on einer Si­che­rungs­ab­tre­tung mit einer wi­der­ruf­li­chen Be­zugs­rechts­be­stim­mung. Bei Ein­räu­mung eines wi­der­ruf­li­chen, an­sons­ten nicht ein­ge­schränk­ten Be­zugs­rechts liegt dem­zu­fol­ge in einer nach­träg­li­chen Si­che­rungs­ab­tre­tung kein kon­klu­den­ter Wi­der­ruf be­stehen­der Be­zugs­rechts­be­stim­mun­gen. Ein an­läss­lich der Si­che­rungs­ab­tre­tung er­klär­ter Wi­der­ruf «für die Dauer der Ab­tre­tung» sei re­gel­mä­ßig so zu ver­ste­hen, dass et­wai­ge Be­zugs­rech­te im Rang hin­ter das ver­ein­bar­te Si­che­rungs­recht zu­rück­tre­ten und im Üb­ri­gen be­stehen blei­ben sol­len. So­weit dem Si­che­rungs­neh­mer im Zeit­punkt des Ver­si­che­rungs­fal­les ge­si­cher­te For­de­run­gen gegen den Ver­si­che­rungs­neh­mer zu­ste­hen, ist er – als In­ha­ber des An­spruchs, nicht nur als Be­zugs­be­rech­tig­ter – al­lein be­fugt, Zah­lung der To­des­fall­leis­tung an sich zu ver­lan­gen (BGH, Ur­teil vom 18.01.2012 – IV ZR 196/10, r+s 2012, 250, FD-VersR 2012, 328569; Ur­teil vom 27.10.2010 – IV ZR 22/09, BeckRS 2010, 28429, FD-VersR 2010, 311403 m.w.N.).

Dies be­deu­tet nur, dass der Si­che­rungs­neh­mer in­fol­ge sei­ner un­mit­tel­ba­ren An­spruchs­in­ha­ber­schaft eine stär­ke­re Stel­lung als ein Be­zugs­be­rech­tig­ter hat, nicht aber, dass der Si­che­rungs­neh­mer dar­über hin­aus zu­gleich auf­grund der streit­ge­gen­ständ­li­chen Klau­sel zur Ent­ge­gen­nah­me von Wil­lens­er­klä­run­gen des Ver­si­che­rers al­lein oder vor­ran­gig be­voll­mäch­tigt ist.

Redaktion beck-aktuell, 23. März 2018.

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