Langwierige Erbauseinandersetzung
Eine Rechtsanwältin lag mit einem Bezirksrevisor im Streit über die Begleichung einer RVG-Abrechnung durch die Staatskasse. Hintergrund war ihre Tätigkeit als anwaltliche Verfahrenspflegerin in einer Betreuungssache. Die Betroffene war Erbin ihres in Polen lebenden Vaters geworden. Ihr Betreuer legte dem Amtsgericht Wiesbaden den Entwurf eines Erbauseinandersetzungsvertrags mit ihrer Schwester und zwei Halbbrüdern vor, der in Polen beurkundet werden sollte. Das Betreuungsgericht bestellte daraufhin die Anwältin im Februar 2020 zur berufsmäßigen Verfahrenspflegerin mit dem Auftrag, den Vertrag zu prüfen und die Verhandlungen zum Abschluss zu bringen. Auf ihren Antrag hin genehmigte es die Abrechnung des Falls nach dem RVG. Nach mehrfachen Änderungen des Entwurfs hörte die Betreuungsrichterin am 09.07.2021 die Erbin in Anwesenheit der Verfahrenspflegerin an und genehmigte den Vertrag. Bereits eine Woche später legte die Anwältin ihre Kostenrechnung vor. Während das AG Wiesbaden den Betrag anstandslos festsetzte, machte der Bezirksrevisor geltend, dass die Ausschlussfrist von 15 Monaten nach § 2 VBVG a.F. für die Abrechnung der RVG-Vergütung bereits abgelaufen sei – die Frist habe mit Aufnahme der Tätigkeit zu laufen begonnen. Das Landgericht Wiesbaden stellte hingegen auf die Fälligkeit der Vergütung bei Abschluss der Sache nach § 8 RVG ab. Der BGH bestätigte diese Auffassung.
Anwalt nicht zu benachteiligen
Die Karlsruher Richter wiesen darauf hin, dass ein Anwalt bei länger andauernden Fällen ansonsten in Gefahr geraten könnte, seinen Gebührenanspruch gegenüber dem Staat zu verlieren, bevor dieser überhaupt nach § 8 RVG fällig geworden sei. Auch wenn der Verfahrenspfleger eine Fristverlängerung beantragen könne, werde er in diesem Fall gegenüber seinem nicht-anwaltlichen Kollegen und dem von diesem beauftragten Anwalt ohne sachlichen Grund benachteiligt. Hintergrund der Obliegenheit, Gebühren zeitnah abzurechnen, sei es, anstehende Belastungen für die öffentliche Hand planbar zu machen. Solange die Vergütung rechtlich nicht geltend gemacht werden kann, werde diese Obliegenheit nicht verletzt, betonte der XII. Zivilsenat. Den Hinweis der Staatskasse, der Anwalt könne nach § 9 RVG einen Vorschuss verlangen, hielten die Bundesrichter nicht für zielführend: Laufe die Ausschlussfrist ohne Abrechnung ab, müsse auch der Vorschuss zurückgezahlt werden.