BGH: Medienkritische Satire an ZDF-Sendung "Die Anstalt" nicht zu beanstanden

Kabarettisten müssen sich für den Inhalt ihrer Beiträge nicht bis in kleinste Detail rechtfertigen: Entscheidend ist der Gesamteindruck, der beim Zuschauer zurückbleibt - das hat der Bundesgerichtshof am 10.01.2017 entschieden. Die Karlsruher Richter hatten es mit einer Ausgabe der ZDF-Satiresendung "Die Anstalt" aus dem April 2014 zu tun. Darin hatten die Moderatoren mehrere Medienleute für deren Verflechtungen mit bestimmten Organisationen im Bereich Sicherheitspolitik kritisiert. Um zu beurteilen, ob eine satirische Äußerung eine unzutreffende Tatsachenbehauptung enthalte, müsse regelmäßig der Gesamtzusammenhang betrachtet werden, in dem sie gefallen ist, so der BGH. In diesem Zusammenhang sei die der Satire wesenseigene Verfremdung zu berücksichtigen (Az.: VI ZR 561/15; VI ZR 562/15).

Sachverhalt

Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 561/15 ist Mitherausgeber, der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist einer der Redakteure der Wochenzeitung "DIE ZEIT". Die Kläger machen gegen die Beklagte, das ZDF, Ansprüche auf Unterlassung von Äußerungen geltend. Die Beklagte strahlte am 29.04.2014 das Satireformat "Die Anstalt" aus. Gegenstand der Sendung war ein Dialog zwischen zwei Kabarettisten, in dem es um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging.

Kläger rügten unzutreffende Tatsachenbehauptung

Die Kläger sind der Auffassung, im Rahmen dieses Dialogs sei die unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, sie seien Mitglieder, Vorstände oder Beiräte in acht beziehungsweise drei Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Der klagende Redakteur ist darüber hinaus der Auffassung, es sei der Wahrheit zuwider behauptet worden, er habe an der Vorbereitung der Rede des Bundespräsidenten vor der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014, über die er später als Journalist wohlwollend berichtet hat, mitgewirkt. Das Oberlandesgericht hatte die Beklagte in der Berufungsinstanz zur Unterlassung der angegriffenen Äußerungen verurteilt. Die Beklagte legte Revision ein.

BGH: Satireäußerungen sind interpretationsbedürftig

Der BGH hat der Revision der Beklagten stattgegeben und die Berufungsurteile aufgehoben. Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts hätten die Kabarettisten in der Fernsehsendung die von den Klägern gerügten Aussagen so nicht getätigt, sodass sie nicht verboten werden könnten. Zur Erfassung des Aussagegehalts müsse eine Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen sei. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags seien zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden.

Aussagen nach verständiger Würdigung als zutreffend anzusehen

Bei einem satirischen Fernsehbeitrag sei in den Blick zu nehmen, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt. Dies zugrunde gelegt lasse sich dem Sendebeitrag im Wesentlichen nur die Aussage entnehmen, es bestünden Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen. Diese Aussage sei zutreffend.

BGH, Urteil vom 10.01.2017 - VI ZR 561/15

Redaktion beck-aktuell, 10. Januar 2017.