Ausnutzungsbewusstsein bei Heimtücke

Fährt jemand absichtlich auf eine stehende Fahrzeugkolonne auf, kann das Gericht nicht ohne Weiteres auf seinen Heimtücke-Vorsatz schließen, wenn er spontan handelte und dabei unter Drogeneinfluss stand. Der Bundesgerichtshof bestätigt zwar, dass man anhand des äußeren Tatgeschehens auf den Heimtücke-Vorsatz schließen kann. Gebe es aber Hinweise, die diesem Eindruck widersprechen, müssten diese in die Entscheidung eingestellt und gewürdigt werden.

Mit Lkw absichtlich in Stauende gerast

Ein Mann - unter Einfluss von Cannabis stehend - fuhr spontan mit seinem Lkw in ein Stauende. Sein Ziel war es, einen aufsehenerregenden Unfall herbeizuführen. Ein Zeuge berichtete später von einem sehr auffälligen Blick des Unfallfahrers und dessen fehlender Reaktion auf verbale Ansprache. Das Landgericht Limburg verurteilte wegen dieser Tat unter anderem wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von achteinhalb Jahren. Die Richter urteilten, der Fahrer habe die Mordmerkmale "mit gemeingefährlichen Mitteln" und "mit Heimtücke" verwirklicht. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Lkw-Fahrer legten gegen diese Bewertung Revision ein. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück.

Objektives Bild lässt nicht immer Schluss auf Vorsatz zu

Der BGH fand die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich des heimtückischen Handelns des Täters nach § 211 Abs. 2 StGB lückenhaft: Dass der Fahrer die Arg- und Wehrlosigkeit der Insassen in der Fahrzeugkolonne vor ihm ausnutzen wollte, sei – entgegen der Ansicht der Limburger Richter – hier nicht ohne Weiteres aus dem äußeren Tatgeschehen abzuleiten. Angesichts des offensichtlich entrückten Zustands des Lkw-Fahrers, von dem der Zeuge berichtete, könne nicht einfach davon ausgegangen werden, dass er die Situation der Opfer mit einem Blick erfasst hatte. Der 4. Strafsenat mochte sich diesem Argument des Generalbundesanwalts nicht verschließen.

BGH, Beschluss vom 21.07.2021 - 4 StR 53/21

Redaktion beck-aktuell, 16. September 2021.