Ausnahme vom Koppelungsverbot im JGG – Auflage neben Jugendstrafe

Wird ein Jugendlicher zu einer Jugendstrafe verurteilt, kann das Gericht daneben anordnen, dass er für den angerichteten Schaden Wertersatz leisten muss. Das gilt laut Bundesgerichtshof unabhängig davon, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht. Die Richter sollen darüber entscheiden können, ob die Geldforderung eingetrieben werden kann oder ob davon die Strafvollstreckung der Haft abhängen soll.

Jugendstrafe und Schadenswiedergutmachung verhängt

Zwei junge Männer lernten in Duisburg zwei Holländer kennen und zogen mit ihnen herum. Sie beschlossen, die Niederländer um deren Bargeld und Telefone zu erleichtern: Der Jüngere warf einem der Opfer eine leere Bierflasche mit voller Wucht ins Gesicht und forderte diesen auf, alle Wertgegenstände herauszugeben. Der Getroffene gab ihm 200 Euro und sein Mobiltelefon. Sein Begleiter wollte ihm zu Hilfe eilen, wurde aber mit einem Würgegriff von hinten zu Boden gebracht und musste sein Telefon ebenfalls herausgeben. Das Landgericht Duisburg verurteilte den erwachsenen Täter zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und den Heranwachsenden zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Beide Strafen setzte es zur Bewährung aus. Laut Tenor erlegten die Richter dem Jüngeren neben einer Schmerzensgeldzahlung weiter auf, innerhalb eines Jahres "Wertersatz für das entwendete Mobiltelefon" zu leisten. Dagegen erhob die Staatsanwaltschaft die Revision zuungunsten des jüngeren Angeklagten zum Bundesgerichtshof - im Ergebnis mit Erfolg.

Verhängung einer Auflage zum Wertersatz neben Jugendstrafe möglich

Im Jugendstrafrecht ist es laut dem 3. Strafsenat möglich, die Auflage zum Wertersatz selbstständig neben einer Jugendstrafe nach §§ 13 Abs. 2 Nr. 2, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG oder als Bewährungsauflage nach den §§ 21 Abs. 1 und 2, 23 Abs. 1 Satz 2 und 4 JGG zu erteilen. Das Landgericht habe die Auflage im Urteilstenor und nicht im Bewährungsbeschluss aufgeführt, daher handele es sich eindeutig um eine selbstständige Auflage neben der Jugendstrafe. Zwar schlössen Strafe und Zuchtmittel nach dem Wortlaut des § 13 JGG ("Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist.") einander aus. § 8 Abs. 2 Satz 1 JGG aber wiederum erlaube Ausnahmen von diesem Koppelungsverbot - unter anderem könnten hiernach neben einer Jugendstrafe auch Auflagen erteilt werden. Der BGH begründet diese Auslegung auch mit dem Willen des Gesetzgebers bei der Reform der Koppelungsregelungen im § 8 JGG im Jahr 2012: Die Handlungsmöglichkeiten der Jugendrichter sollten erweitert werden - so zum Beispiel sollten sie entscheiden, ob die Schadenswiedergutmachung so wichtig ist, dass von ihr der Bewährungswiderruf abhängen soll oder nicht.

Schadenswiedergutmachung muss konkretisiert werden

Die Karlsruher Richter hoben das Urteil dennoch auf, weil ihnen der Ausspruch "Wertersatz für das entwendete Mobiltelefon" zu unbestimmt ist. Der Verurteilte müsse wissen, was von ihm verlangt werde. Nach Ansicht des BGH muss sichergestellt sein, dass die Erfüllung der Auflage überwacht und auf eine eventuelle Nichterfüllung reagiert werden kann. Daher sei die Konkretisierung auf einen bestimmten Geldbetrag grundsätzlich notwendig. Unter anderem deshalb wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

BGH, Urteil vom 27.01.2022 - 3 StR 245/21

Redaktion beck-aktuell, 28. Februar 2022.