Auslegung des Erblasserwillens bei Einsetzung mehrerer Testamentsvollstrecker

Das Verhältnis einer postmortalen Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung kann nur durch Auslegung von Urkunde und letztwilliger Verfügung ermittelt werden. Auf diese Weise ist laut Bundesgerichtshof zu erforschen, ob und inwieweit dieser voneinander unabhängige Machtbefugnisse begründen wollte.

Enkelin nimmt Antrag in Güterechtsverfahren zurück

Eine Testamentsvollstreckerin lag im Streit mit der Enkeltochter einer im April 2020 verstorbenen Erblasserin, ihrer Auftraggeberin, wegen einer Antragsrücknahme in einem Güterrechtsverfahren. Ursprünglich hatte die Großmutter das Verfahren gegen ihren - von ihr getrenntlebenden - Ehemann geführt. Im Januar 2020 erteilte sie ihrer Enkelin eine Vorsorgevollmacht, die auch nach ihrem Tod fortdauern sollte. Sie bevollmächtigte die Frau, sie in allen persönlichen Angelegenheiten sowie in Vermögensangelegenheiten gerichtlich zu vertreten. Im Februar 2020 setzte die Seniorin ihre Nachfahrin als Alleinerbin ein. Sie ordnete Testamentsvollstreckung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres an und bestellte eine Testamentsvollstreckerin. In einer handschriftlichen "Letztwillige(n) Verfügung" vom 22.02.2020 verfügte sie unter anderem, den Rechtsstreit fortführen zu lassen, und ordnete ergänzend hierfür die Testamentsvollstreckung durch ihren Rechtsanwalt an. Für alle anderen Bereiche sollte die Testamentsvollstreckerin zuständig bleiben. Nach dem Tod der Großmutter erklärte ihre Enkelin die Antragsrücknahme. Der Ex-Mann stimmte dem zu.

OLG: Fehlende Beschwerdeberechtigung

Das AG Ludwigslust legte der "Antragstellerin" – es stand noch die Erblasserin im Rubrum – auf Antrag ihres Mannes die Verfahrenskosten auf. Die sofortige Beschwerde der Testamentsvollstreckerin scheiterte beim OLG Rostock, da sie nicht beschwerdeberechtigt sei. Die Erblasserin habe ihre Ernennung zur Testamentsvollstreckerin mit ihrer nachfolgenden Verfügung vom 22.02.2020 nach § 2258 Abs. 1 BGB für die Güterrechtssache wieder aufgehoben und insoweit allein ihren Anwalt zum Testamentsvollstrecker berufen. Auch die Rechtsbeschwerde beim BGH hatte keinen Erfolg.

Wille des Vollmachtgebers ist entscheidend

Dem IV. Zivilsenat zufolge sind dem OLG bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung 22.02.2020 keine Rechtsfehler unterlaufen. Es habe sich am klaren Wortlaut des Testaments orientiert und daraus entnommen, dass die Erblasserin für die Rechte im Ausgangsverfahren allein den Anwalt zum Testamentsvollstrecker ernannt und sie einer Verwaltung durch die Testamentsvollstreckerin wieder entzogen habe, indem sie das Testament vom 11.02.2020 teilweise nach § 2258 Abs. 1 BGB widerrufen habe. Andere Auslegungsmöglichkeiten lasse die letztwillige Verfügung dem BGH zufolge nicht zu. Die Beschwerdeführerin sei auch nicht aufgrund der ihr erteilten postmortalen Generalvollmacht vom 11.02.2020 zur Einlegung der sofortigen Beschwerde befugt gewesen. Zwar könne diese selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Bevollmächtigten eigenständige Befugnisse verleihen. Allerdings habe das OLG diese zu Recht so ausgelegt, dass der Frau die Vollmacht im inneren Zusammenhang mit ihren Aufgaben als Testamentsvollstreckerin erteilt worden sei, so dass ihr von vornherein keine über ihr diesbezügliches Amt hinausgehenden Befugnisse verliehen worden waren. Der insoweit zuständige Anwalt habe als Testamentsvollstrecker die Entscheidung der Erbin bewusst akzeptiert.

BGH, Beschluss vom 14.09.2022 - IV ZB 34/21

Redaktion beck-aktuell, 6. Oktober 2022.