Auslegung des Begriffs "Abrechnungssumme" in Vertragsstrafen-Klausel

Der Begriff "Abrechnungssumme" in der Vertragsstrafen-Klausel eines Werkvertrags ist dahingehend auszulegen, dass die Nettosumme der Berechnung der Strafe zugrunde zu legen ist. Kann der Begriff mehrdeutig verstanden werden, ist laut Bundesgerichtshof in der Regel die kundenfreundlichste Auslegungsvariante zu wählen. Zweifel gingen dabei zulasten des Verwenders.

Bauunternehmer verlangt restlichen Werklohn

Eine Bauunternehmerin verlangte von ihrer Kundin die Zahlung restlichen Werklohns von 572.000 Euro. Diese hatte sie im Februar 2006 unter anderem mit der Sanierung eines Bühnenbodens beauftragt. Nach Ziffer 4.10.0 der Besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten (BVB) war eine Ausführungsfrist bis zum 13.10.2006 einzuhalten. Ziffer 11.1.0 der BVB lautete wie folgt: "Wird der vereinbarte Fertigstellungstermin durch Verschulden des Auftragnehmers überschritten, so hat dieser eine Vertragsstrafe für jeden Werktag der Verspätung in Höhe von 0,2% der Abrechnungssumme, höchstens jedoch 5% der Abrechnungssumme, zu zahlen." Die Unternehmerin überschritt die Ausführungsfrist um fast 10 Monate. Daraufhin zog die Bestellerin vom Werklohnanspruch eine Vertragsstrafe von etwa 149.000 Euro ab. Während die Bauunternehmerin beim LG Frankenthal Recht bekam, hielt das OLG Zweibrücken die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Anspruch auf Vertragsstrafe von 126.000 Euro für begründet. Die Klausel halte einer Inhaltskontrolle stand. Nach § 305c Abs. 2 BGB sei die weniger belastende Variante zu wählen. Die Vertragsstrafe sei deshalb nach der Nettoabrechnungssumme zu bemessen. Die Revision der Kundin beim BGH hatte keinen Erfolg.

Kundenfreundlichste Auslegungsvariante ist zu wählen

Dem VII. Zivilsenat zufolge ist die Werklohnforderung der Klägerin nicht in Höhe eines weiteren Betrags von 23.900 Euro wegen der von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit einem Anspruch auf Vertragsstrafe nach Ziffer 11.1.0 der BVB erloschen. Dahinstehen könne, ob die Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB oder § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB nicht standhalte und deshalb insgesamt unwirksam sei. Denn die Auftraggeberin habe gegen die Bauunternehmerin danach jedenfalls keinen höheren als den vom OLG bereits rechtskräftig zuerkannten Anspruch auf Vertragsstrafe. Darüber hinaus komme die Auslegung des Begriffs "Abrechnungssumme" nicht zu dem eindeutigen Ergebnis, dass damit die Brutto-Abrechnungssumme gemeint sei. Vielmehr kommt den obersten Zivilrichtern zufolge auch eine Auslegung als Netto-Abrechnungssumme ernsthaft in Betracht. Da der Begriff "Abrechnungssumme" in Bezug auf die Frage, ob dieser die Umsatzsteuer einschließe, zumindest mehrdeutig im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB sei, sei grundsätzlich die "kundenfeindlichste" Auslegung zugrunde zu legen. Ob diese zur Unwirksamkeit der Klausel führe, könne offenbleiben. Jedenfalls sei vorliegend die Auslegung maßgebend, durch die die Klägerin als Vertragspartnerin der Verwenderin begünstigt werde, mithin die zu einer Netto-Abrechnungssumme führende.

BGH, Urteil vom 05.05.2022 - VII ZR 176/20

Redaktion beck-aktuell, 28. Juni 2022.