Ausgleichsanspruch für Fluggast nach Insolvenz der Fluglinie
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Fluggäste, die ihren Flug gebucht und bezahlt haben, erwerben einen Ausgleichsanspruch wegen Verspätung auch dann, wenn die Fluggesellschaft vor Antritt des Flugs in die Insolvenz gefallen ist und den Flug in Eigenverwaltung durchführt. Der Bundesgerichtshof ordnete den Ausgleichsanspruch als Masseverbindlichkeit ein, weil er im Rahmen der Erfüllung des nicht durchsetzbaren Beförderungsanspruchs entstanden ist. Der irreversible Zeitverlust sei eine zusätzliche Rechtsgutverletzung, die nicht mit dem Beförderungsanspruch an sich zusammenhänge.

Nach Zahlungseingang in die Insolvenz gefallen

Ein Mann buchte für sich und seine Begleitung zwei Flüge von Frankfurt am Main nach Samara und zurück für Dezember 2019. Nach Bezahlung der Tickets und vor Flugantritt fiel die Luftfahrtgesellschaft in die Insolvenz. In Eigenverwaltung setzte sie den Flugbetrieb fort, so dass die Flüge stattfinden konnten. Auf dem Rückflug kamen die Passagiere mit einer vierstündigen Verspätung ans Ziel. Danach kam ein Insolvenzplan zustande und das Insolvenzverfahren wurde aufgehoben. Der Mann verlangte wegen der Verspätung für sich und aus abgetretenem Recht seiner Begleitung eine Ausgleichszahlung von je 600 Euro plus Zinsen. Das AG Rüsselsheim gestand ihm die Zahlung nur in Höhe der Planquote zu, das LG Darmstadt verurteilte die Gesellschaft zur Zahlung der vollständigen Forderung. Die Revision der Fluggesellschaft vor dem BGH blieb ohne Erfolg.

Flüge waren nicht kostenlos

Der BGH erklärte, dass die Flüge nicht kostenlos im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der FluggastrechteVO waren, was Ansprüche auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1c FluggastrechteVO ausschließen würde. Kostenlos würden nur Passagiere reisen, die kein Entgelt entrichtet hätten, wie etwa Kleinkinder ohne eigenen Sitzplatz oder Flugpersonal. Eine fehlende Durchsetzbarkeit der Beförderung aufgrund der Insolvenz spielt nach Auffassung des BGH keine Rolle. Der Ausgleichsanspruch setze lediglich einen Beförderungsvertrag voraus. Der Ausgleichsanspruch ergebe sich dann unmittelbar aus der Verordnung, nicht aus dem Vertrag.

Ausgleichsanspruch ist Masseverbindlichkeit

Der IX. Zivilsenat lehnte es auch ab, den Ausgleichsanspruch nur in Höhe der Insolvenzquote zuzusprechen, sondern erkannte den Anspruch als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 InsO an. Mangels spezialgesetzlicher Regelungen gelte das Insolvenzrecht des Mitgliedsstaats, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, also im vorliegenden Fall das deutsche Recht. Während der Beförderungsanspruch des Reisenden noch eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO ist, betrachtet der BGH den Ausgleichsanspruch als Masseverbindlichkeit, weil er erst in Erfüllung des Fluganspruchs entstanden ist. Der Passagier habe mit der vierstündigen Verspätung einen zusätzlichen Nachteil erlitten, der nicht im Zusammenhang mit der Insolvenzforderung stehe. 

BGH, Urteil vom 09.03.2023 - IX ZR 91/22

Redaktion beck-aktuell, 20. April 2023.