Auflösende Bedingung des Ruhestands im Mietvertrag

Wird ein Mietverhältnis an ein Arbeitsverhältnis gekoppelt, so dass es mit dem Ausscheiden aus dem Dienst automatisch endet, kann sich der Vermieter nicht auf diese Bedingung berufen. Der Bundesgerichtshof erinnert diesbezüglich an die eindeutige Gesetzeslage. Ein auf der Fehlvorstellung beruhender Räumungsvergleich, das Mietverhältnis sei bereits beendet, kann darüber hinaus eine Störung der Geschäftsgrundlage sein.

Mietvertrag an Arbeitsvertrag gekoppelt

Ein Diakon schloss mit der evangelischen Kirche einen Mietvertrag über ein Reihenhaus. Dieser enthielt eine Klausel, wonach das Mietverhältnis mit dem Dienstverhältnis endet. Seine Frau, die ebenfalls für die Kirche arbeitete, bewohnte die Wohnung auch nach dem Tod ihres Mannes weiter. Fünf Wochen, bevor sie in den Ruhestand ging - nach rund 40 Jahren Mietzeit -, meldete sich ihre Arbeitgeberin, um einen Auszugstermin zu vereinbaren. In einem Gespräch stimmte die Mieterin einer Räumungsfrist von einem Jahr zu, nachdem ihr die Vermieterin rigoros angedroht hatte, in fünf Wochen "mit einem Rechtsanwalt vor der Tür zu stehen" und sie rauszusetzen. Nach Ablauf der Frist zog sie dennoch nicht aus, sondern erklärte den Rücktritt vom Räumungsvergleich wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage. Hilfsweise focht sie ihre Zustimmung wegen widerrechtlicher Drohung an. Die Glaubensgemeinschaft verklagte die Rentnerin auf Räumung und Herausgabe des Hauses. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht München I gaben der evangelischen Kirche Recht. Die Ruheständlerin verfolgte ihr Ziel vor dem Bundesgerichtshof weiter - erfolgreich: Er hob am 11.11.2020 das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zurück.

Ruhestand führt nicht zum Ende des Mietverhältnisses

Beide Parteien waren im Gespräch über die Räumungsfrist davon ausgegangen, dass das Mietverhältnis mit dem Eintritt in den Ruhestand automatisch beendet war. Dem ist der BGH entgegen getreten: Das Ausscheiden aus dem Dienst sei eine auflösende Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB. Auf diese könne sich aber die Vermieterin nach § 572 Abs. 2 BGB nicht berufen. Will die Mieterin das Vertragsverhältnis fortsetzen, bleibt es dem VIII. Zivilsenat zufolge bestehen.

Geschäftsgrundlage des Vergleichs weggefallen

Der Räumungsvergleich beruhte damit auf dem Irrtum, dass es für die Nutzung des Hauses keinerlei Grundlage mehr gebe. Zwar sei ein Rechtsirrtum eigentlich unbeachtlich, hier aber schlage er auf den tatsächlichen Sachverhalt durch, weil die Kenntnis der rechtlichen Lage einen Räumungsvergleich ausgeschlossen hätte, so der BGH. Sie ändere den als ursprünglich feststehend zugrunde gelegten Sachverhalt grundlegend im Sinne von § 313 Abs. 2 BGB. Das Landgericht München I müsse noch Feststellungen zur Unzumutbarkeit des Festhaltens der Kirche am Vertrag treffen, um abschließend über die Klage zu entscheiden.

Wirksame Anfechtung der Zustimmung auch möglich

Die Drohung, am Tag des vermeintlichen Vertragsendes mit einem Rechtsanwalt vor der Tür zu stehen und sie auf die Straße zu setzen, ist überdies eine widerrechtliche Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB, entschied der VIII. Zivilsenat weiter. Sie könne Grund für die Vergleichsbereitschaft der Mieterin gewesen sein: Ihr sei - wenn der Sachverhalt sich so, wie von der Mieterin geschildert, zugetragen habe - "in anstößiger Weise" vermittelt worden, sie könne entweder dem Vergleich zustimmen oder müsse sich binnen fünf Wochen eine neue Wohnung suchen - und das ohne Räumungstitel! Das stelle eine unangemessene Mittel-Zweck-Relation dar, weil der an sich berechtigte Zweck, sie zu einem Vergleich zu bewegen, mit einem Mittel erstrebt wurde, dessen Verwendung zu dem verfolgten Zweck gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoße. Auch insoweit muss das Landgericht die Sache weiter klären.

BGH, Urteil vom 11.11.2020 - VIII ZR 191/18

Redaktion beck-aktuell, 8. Dezember 2020.