Kläger erwarb Audi mit manipulierter Software
Der Kläger erwarb im Mai 2015 von einem Autohaus einen gebrauchten Audi A6 Avant, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der von der Volkswagen AG entwickelte und gelieferte Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und die in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand.
Fahrzeug im Juli 2016 mit Software-Update versehen
Im September 2015 wurde die Verwendung der Software mit den zwei Betriebsmodi zur Fahrzeugsteuerung bekannt. Im Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrtbundesamt (KBA) gegenüber der VW AG nachträgliche Nebenbestimmungen für die erteilte Typgenehmigung an. VW wurde darin verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen, bei denen innerhalb des VW-Konzerns Dieselmotoren vom Typ EA189 EU 5 zum Einbau gelangten, die aus Sicht des Kraftfahrtbundesamtes unzulässige Abschalteinrichtung zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. In der Folge wurde auf das Fahrzeug des Klägers im Juli 2016 ein Software-Update aufgespielt.
OLG hielt Schadenersatzbegehren grundsätzlich für berechtigt
Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht hatte der Klage bis auf einen Teil der verlangten Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hatte unter Zulassung der Revision die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadenersatz dem Grunde nach bestätigt, bei der Bemessung der Höhe des zu zahlenden Betrages allerdings einen Abzug von der Kaufpreissumme wegen der erfolgten Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger vorgenommen. Gegen dieses Urteil (OLG Naumburg, BeckRS 2019, 51205) hat die Beklagte Revision eingelegt.
BGH: Feststellungen zu arglistiger Täuschung durch Tochtergesellschaft fehlen
Der BGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe insbesondere nicht festgestellt, dass nicht nur bei der Muttergesellschaft, sondern auch bei der Beklagten eine auf arglistige Täuschung des KBA und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung getroffen wurde oder für die Beklagte handelnde Personen an der von der Muttergesellschaft getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt waren.
Wissen um Software zum Zweck der arglistigen Täuschung würde auch reichen
Allerdings komme ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten auch dann in Betracht, wenn die für die Beklagte handelnden Personen wussten, dass die von der Muttergesellschaft gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten. Ein derartiges Vorstellungsbild habe das Berufungsgericht aber im Hinblick auf Personen, für deren Verhalten die Beklagte entsprechend § 31 BGB einzustehen hat, nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
Keine Haftung Audis über Wissenszurechnung entsprechend § 166 BGB
Rechtsfehlerhaft hat das OLG laut BGH angenommen, die Haftung der Beklagten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB könne mittels einer Zurechnung des Wissens von verfassungsgemäßen Vertretern der VW AG entsprechend § 166 BGB begründet werden. Nach der Rechtsprechung des Senats (NJW 2017, 250) setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinn des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat.
Tatbestand des § 826 BGB nicht via Wissenszusammenrechnung erfüllbar
Über eine Wissenszusammenrechnung führe aber kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil, so die Richter weiter. So wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lasse, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente "mosaikartig" zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadenersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde, so lasse sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbstständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen.
Tatsächliche Feststellungen zu Vorgängen bei Audi unzureichend
Zudem habe das Berufungsgericht nicht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zu Vorgängen innerhalb ihres Unternehmens, die auf eine Kenntnis ihrer verfassungsmäßigen Vertreter von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung schließen lassen sollen, getroffen.