Audi AG haftet wegen Vertriebs von Pkw mit "Umschaltlogik"

Es bleibt dabei: Die Audi AG muss vier Käufern eines Pkw mit dem manipulierten VW-Motor des Typs EA 189 Schadenersatz leisten. Der Bundesgerichtshof hat die entsprechenden Entscheidungen der Vorinstanzen, die von einem sittenwidrigen Verhalten Audis ausgegangen waren, bestätigt. Wenigstens ein an der Entscheidung über den Einsatz des Motors in den Audi-Fahrzeugen beteiligter Repräsentant der Audi AG habe von der evident unzulässigen "Umschaltlogik" gewusst.

Audi als Gebraucht- oder Neuwagen erworben

Die Kläger erwarben zwischen Juni 2009 und November 2014 verschiedene Fahrzeuge der Audi AG teilweise als neu-, teilweise als Gebrauchtwagen. Die vier Fahrzeuge sind jeweils mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Dieser verfügte über eine Software, die den Stickoxidausstoß im Prüfstand verringerte. Die Motorsteuerung war so programmiert, dass bei Messung der Schadstoffemissionen auf einem Prüfstand diese Situation erkannt wird. Nach Bekanntwerden der "Umschaltlogik" verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamt die Beklagte zur Entfernung der als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten Software und dazu, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein Software-Update entwickelt, welches auf das Fahrzeug der jeweiligen Klagepartei aufgespielt wurde. Die in der Hauptsache zuletzt jeweils auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg.

BGH bejaht sittenwidriges Handeln der Audi AG und bestätigt Vorinstanz

Der BGH hat die Revisionen der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsgericht habe im Ergebnis in allen vier Fällen einen Schadenersatzanspruch der jeweiligen Klagepartei aus § 826 BGB zu Recht angenommen. Es habe in tatrichterlicher Würdigung rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten im Sinn von § 31 BGB die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. Die Beklagte habe sittenwidrig gehandelt, indem sie Fahrzeuge mit dem von der VW AG gelieferten Motor EA 189, darunter die streitgegenständlichen Fahrzeuge, in den Verkehr brachte, obwohl nach den tatrichterlichen Feststellungen wenigstens eine verantwortlich für sie handelnde Person wusste, dass der Motor mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet war.

Allerdings weder Zurechnung nach § 166 BGB noch wegen unzulässiger Organisation

Zwar könne das sittenwidrige Verhalten eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters einer juristischen Person entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht mittels einer Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründet werden. Auch scheide vorliegend die vom Berufungsgericht angenommene Haftung wegen einer angeblich unzulässigen Organisation des Typgenehmigungsverfahrens aus. Ebenso wenig tragfähig seien die berufungsgerichtlichen Erwägungen, die Beklagte sei verpflichtet und in der Lage gewesen, den Motor EA 189 eigenständig auf Gesetzesverstöße zu überprüfen und zu diesem Zweck Auskünfte der VW AG einzuholen. Etwaige Versäumnisse der Beklagten in dieser Hinsicht könnten grundsätzlich nicht den für eine Haftung aus § 826 BGB erforderlichen Vorsatz, sondern lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen.

Keine Bedenken gegen Überzeugung des Tatgerichts

Das Berufungsgericht habe jedoch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise selbstständig tragend die freie tatrichterliche Überzeugung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnen, dass wenigstens ein an der Entscheidung über den Einsatz des Motors EA 189 in Fahrzeugen der Beklagten beteiligter Repräsentant der Beklagten im Sinn des § 31 BGB von der evident unzulässigen "Umschaltlogik" gewusst hat. Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO sei es grundsätzlich Sache des Tatrichters, unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Das Revisionsgericht könne insoweit nur prüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehler in diesem Sinne hat die Revision jeweils nicht aufgezeigt.

BGH, Urteil vom 25.11.2021 - VII ZR 238/20

Redaktion beck-aktuell, 25. November 2021.