Auch Legal-Tech-Anwalt zur Fristenkontrolle verpflichtet
frist_anwalt_CR A Hartung dpa
© A. Hartung / dpa
frist_anwalt_CR A Hartung dpa

In Kanzleien setzt sich nun auch bei Massenverfahren die Anwendung strenger Maßstäbe für die Büro-Organisation und Überwachung von Fristen fort. Der  Bundesgerichtshof stellte klar, dass ein auf "Legal Tech" spezialisierter Rechtsanwalt zur Überprüfung der Fristvermerke in der Handakte verpflichtet ist. Wie die Handakte geführt werde – herkömmlich oder elektronisch, ist laut dem Beschluss vom 23.06.2020 dabei nicht entscheidend.

Fristeintragung nicht überprüft

Ein Mann verlangte in einem Schadensersatzprozess die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist. Zuvor hatte er eigens für das Berufungsverfahren eine neue Anwältin beauftragt. Diese legte am 27.05.2019 zunächst fristgerecht das Rechtsmittel ein. Das OLG Frankfurt a. M. (Außenstelle Darmstadt) teilte ihm mit, dass eine Verwerfung der Berufung wegen fehlender Begründung beabsichtigt sei, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Daraufhin begründete er diese am 09.07.2019. Am 22.07.2019 beantragte er die Wiedereinsetzung. Er trug vor, die Büroangestellte seiner Anwältin habe den Fristablauf in der elektronischen Akte versehentlich auf den 26.07.2019 datiert. Daher sei die falsche Frist auch nicht auf dem Wochenausdruck zu anstehenden Fristen aufgetaucht. Seine Berufung hatte gleichwohl vor dem OLG Frankfurt a. M. (Darmstadt) keinen Erfolg: Die Anwältin hätte spätestens bei Vorlage der Akten zur Fertigung der Berufungsschrift die Korrektheit der notierten Frist eigenverantwortlich überprüfen müssen.

BGH: Besondere Büro-Organisation in Massenverfahren

Dies sah der BGH genauso. Der Mandant habe nicht glaubhaft dargelegt, dass er ohne ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden seiner Anwältin daran gehindert gewesen wäre, die Frist einzuhalten. Einem Anwalt müssten – auch ohne richterlichen Hinweis – die Anforderungen der Rechtsprechung an die organisatorischen Maßnahmen zur Fristenkontrolle bei der Handaktenführung geläufig sein. Entscheidend war aus Sicht des Senats, dass die Anwältin bei ordnungsgemäßer Arbeitsweise die Rechtsmittelfrist im Fristenkalender hätte kontrollieren müssen und den Fehler dabei entdeckt hätte. Die bloße Vorlage des "Wochenausdrucks" sei nicht geeignet, eine einmal falsch berechnete oder fehlerhaft eingetragene Frist rechtzeitig als solche zu identifizieren. Dass die Handakte ausschließlich elektronisch geführt werde, könne jedenfalls im Ergebnis zu keiner geringeren Überprüfungspflicht führen. Der Umstand, dass es sich dabei um ein Massenverfahren handle, bedeute für den Anwalt eine besondere Organisationspflicht, die das Auffinden von Fehlen ermögliche. Die Karlsruher Richter betonten hier die Gefahr der "routineartigen Tätigkeit gerade für seine Beschäftigten".

BGH, Beschluss vom 23.06.2020 - VI ZB 63/19

Redaktion beck-aktuell, 27. Juli 2020.