Am letzten Tag
Ein Anwalt hatte für seinen Mandanten rechtzeitig Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts eingelegt. Die Frist für die Begründung ließ er anschließend verlängern und verschickte diese über das beA einen Tag vor deren Ende. Er sandte den Schriftsatz aber aus Versehen an die erste Instanz statt ans OLG. Und zwar höchstpersönlich, denn er betrieb seine Kanzlei ganz allein. Das LG leitete das Dokument zwar weiter, aber in der nächsten Instanz trudelte es dadurch fast zwei Wochen zu spät ein. Das OLG Saarland verwarf deshalb die Berufung und verweigerte dem Kläger auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Identischer Dienstleister zählt nicht
Das fand die Billigung der obersten Zivilrichter. Das LG sei zwar gehalten gewesen, den falsch adressierten Schriftsatz weiterzuleiten – aber nur im ordentlichen Geschäftsgang. Dass er am LG rechtzeitig angekommen war, reichte ihnen nicht: Ein über das beA eingereichtes elektronisches Dokument sei erst dann wirksam beim zuständigen Gericht eingegangen, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert worden ist. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das Saarland sowohl für das Landgericht als auch für das Berufungsgericht als Intermediär die Dienste des Landesbetriebs Information und Technik Nordrhein-Westfalen in Anspruch nimmt: "Denn Landgericht und Berufungsgericht unterhalten dort kein gemeinsames EGVP."
Gründlichkeit wie beim Fax
Unterstrichen haben die Karlsruher Richter außerdem, dass die Sorgfaltspflichten von Anwälten beim Versand via beA jenen bei Nutzung eines Telefaxgeräts entsprechen: Auch dann sei es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Dazu gehöre die Kontrolle der automatisch übersandten Empfangsbestätigung darauf, ob der Schriftsatz an das richtige Gericht übermittelt wurde. Der Klägervertreter hatte zwar in der Begründung seiner Rechtsbeschwerde noch argumentiert, einem Verschulden seinerseits stehe eine "kognitive Verzerrung ohne zurechenbaren Sorgfaltsverstoß" entgegen. Doch dem hielt der IV. Zivilsenat entgegen, dass er zuvor dem OLG geschrieben hatte, zum Zeitpunkt der Versendung sei er in seiner Fähigkeit zu "konzentrierter Arbeit … nicht eingeschränkt" gewesen, habe "weder entsprechende Beschwerden gehabt" noch sei er "in Behandlung bei einem Arzt" gewesen. Der BGH kontert daraufhin süffisant: "Mit Blick auf diese Ausführungen konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass es dem Klägervertreter ohne weiteres möglich war, die in der zweiten Zeile der automatisierten Bestätigung enthaltene Empfängerbezeichnung zu kontrollieren."