AStA darf über "Pick-up-Artist" berichten

Eine AStA-Zeitschrift durfte identifizierend über einen "Pick-up-Artisten" berichten. Der Student muss es laut Bundesgerichtshof hinnehmen, wenn seine Praktiken in der Uni-Zeitung veröffentlicht werden. Er habe keinen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, weil das Interesse an der Auseinandersetzung mit dem Phänomen höher zu bewerten sei als sein Persönlichkeitsrecht.

Student lehrt, wie man "Frauen aufreißt"

Ein Student der Universität Frankfurt am Main gab 2014 Seminare für die Agentur "Casanova Coaching" und ließ sich für einen Kurzbeitrag der ARD-Sendung „DasDing.tv“ mit dem Titel „Aufreißen und klar machen? Pick-up-Artist geht auf Frauenjagd“ interviewen. Dabei gab er seinen Vornamen preis. Die Sendung ging auch auf der Internetplattform Youtube viral. In der Folge wurden auf dem Frankfurter Campus Frauen mit den gepriesenen Methoden "angemacht". Die Universität selbst wandte sich öffentlich gegen den "organisierten Sexismus durch sog. Pick-Up-Artists" auf ihrem Gelände. Der AStA veröffentlichte 2015 in seiner Mitgliederzeitung zwei Artikel darüber. Der Student als einer der prominentesten "Frauenjäger" war ebenfalls Gegenstand der Beiträge. Er war mit Vornamen, Anfangsbuchstaben seines Nachnamens sowie seinem Foto identifizierbar. Anders als ein weiterer Protagonist distanziere er sich aber von Gewaltanwendung bei seinen Eroberungen, hieß in einem der Beiträge. Der Hochschüler verlangte die Unterlassung der Veröffentlichung, doch der AStA gab nur hinsichtlich des Fotos eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die Klage gegen die Studierendenvertretung wurde letztlich mangels Parteifähigkeit abgewiesen. Nun strengte er gegen die Studierendenschaft einen Unterlassungsprozess vor dem Frankfurter Landgericht an, den er zunächst gewann. Diese Entscheidung wurde aber vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main wieder aufgehoben. Auch vor dem Bundesgerichtshof war der sogenannte Pick-up-Artist nicht erfolgreich.

Öffentlich-rechtliche Streitigkeit

Der BGH bemängelt zunächst, dass die Vorinstanzen zu Unrecht eine privatrechtliche Streitigkeit angenommen haben. Die Herausgabe der AStA-Zeitung sei eine hoheitliche Tätigkeit der Studierendenschaft in Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 84 Abs. 2 n.F. des Landeshochschulgesetzes Hessen (HessHG). Somit unterfalle auch die fragliche Veröffentlichung dem öffentlichen Recht. Wegen § 17a Abs. 5 GVG, wonach ein Gericht in Rechtsmittelinstanzen den tatsächlich beschrittenen Rechtsweg nicht mehr überprüft, stellt der VI. Zivilsenat die Zulässigkeit der Klage aber nicht mehr in Frage. Allerdings ändert sich den Bundesrichtern zufolge die anzuwendende Anspruchsgrundlage: Nicht der privatrechtliche § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog bzw. §§ 22, 23 KUG sei einschlägig, sondern der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch.

Eingriff ins Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt

Die Karlsruher Richter halten den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch für unbegründet. Zunächst werde nicht behauptet, dass der Mann sich wie ein Vergewaltiger benehme. Vielmehr stehe in dem Artikel, dass er sich im Gegensatz zu der anderen Hauptfigur des Beitrags von Gewalt distanziere. In der identifizierenden Berichterstattung hinsichtlich der von ihm gelehrten Datingstrategien liege zwar eindeutig ein hoheitlicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Dieser ist dem BGH zufolge aber nicht rechtswidrig: Die Studentenschaft hat nach § 84 Abs. 2 Nr. 3 HessHG n.F. die Aufgabe, die wirtschaftlichen und sozialen Belange der Hochschüler wahrzunehmen. Dabei sei ihr auch ein "Brückenschlag" zu allgemeinpolitischen und gesellschaftlichen Fragestellungen erlaubt. Laut den Karlsruher Richtern gab es eindeutig einen Zusammenhang zu den hochschulspezifischen Belangen der Studenten. Der AStA verfolge somit den legitimen Zweck, auf dieses Phänomen aufmerksam zu machen und es einzuordnen. Das öffentliche Interesse an der Berichterstattung überwiege, so der BGH, weil er sich selbst ausführlich in der Öffentlichkeit über seine "Pick-up-Techniken" ausgelassen habe. Da müsse er sich die kritische Auseinandersetzung auf dem heimischen Campus gefallen lassen, zumal die Berichterstattung überwiegend auf seinen eigenen öffentlichen Darstellungen beruhe. 

BGH, Urteil vom 08.11.2022 - VI ZR 65/21

Redaktion beck-aktuell, 19. Dezember 2022.