Fachanwaltstitel: Ein Erbe macht noch kein Erbrecht
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Ein Fachanwaltstitel ist für Anwältinnen und Anwälte die beste Möglichkeit, ihre Kompetenz in einem Rechtsgebiet zu dokumentieren und entsprechend gefragt. Doch um die Frage, wie diese Kompetenz nachzuweisen ist, gibt es oft Streit. Nun hat der BGH einige Fragen dazu geklärt, berichtet Martin W. Huff.

Zurzeit (Stand 1. Januar 2024) führen 46.035 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte 58.474 Fachanwaltstitel. Nach den Vorschriften der Fachanwaltsordnung (FAO) darf ein Rechtsanwalt maximal drei Fachanwaltsbezeichnungen führen. In den vergangenen Jahren stagnierte deren Zahl. Ursache dafür dürfte sein, dass ältere Kolleginnen und Kollegen ihre Titel zurückgeben, weil sie die jährlich 15 Fortbildungsstunden gemäß § 15 FAO nicht mehr leisten möchten und neue Fachanwältinnen und -anwälte nicht entsprechend nachwachsen.

Tun sie es doch, gibt es immer wieder Auseinandersetzungen über die Frage, welche Anforderungen an die praktischen Erfahrungen zu stellen sind, die sie gemäß § 4 FAO erfüllen müssen. Jetzt hat der Anwaltssenat des BGH in einem ausführlichen Nichtannahmebeschluss (Beschluss vom 14.10.2024 - AnwZ (Brfg) 25/24) noch einmal einige Grundsätze zusammengefasst, damit auch die Rechtsanwaltskammern Klarheit haben, wie sie mit den Anträgen richtig umzugehen haben.

Geklagt hatte im Ausgangsverfahren ein Berliner Rechtsanwalt, der bei seiner Anwaltskammer die Verleihung der Bezeichnung "Fachanwalt für Erbrecht" beantragt hatte. Die Kammer hatte diesen Antrag abgelehnt, weil zum einen gerade die rechtsförmlichen Fälle, die für die Verleihung erforderlich sind, nicht erfüllt seien und auch die Nähe zu erbrechtlichen Fragestellungen nicht nachgewiesen worden sei. Der AGH Berlin und der Anwaltssenat des BGH haben diese Ablehnung gehalten und die Klage des Rechtsanwalts abgewiesen.

Wieviel Erbrecht war’s denn wirklich?

Dabei ging es um eine ganze Reihe von Fällen, die der Antragsteller auf seiner Fallliste als erbrechtliche Fälle genannt hatte, jedoch nicht von der Kammer und den Gerichten anerkannt worden waren. Dem folgte nun auch der BGH und stellte klar, es sei kein erbrechtlicher Fall, wenn einem Mandat etwa eine unstreitige Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB zugrunde liege, die eigentliche Fallfrage aber gar nicht im Erbrecht spiele. 

Der Anwaltssenat begründete dies damit, dass der Schwerpunkt der für die Verleihung des Titels notwendigen Fälle immer in dem entsprechenden Fachgebiet liegen müsse. Es sei nicht ausreichend, wenn sich in einem Fall alleine eine Rechtsfrage aus dem entsprechenden Fachgebiet stelle oder auch nur stellen könne. Dabei müsse man unterscheiden, ob ein Fall originär dem entsprechenden Rechtsgebiet zuzuordnen sei – dann zähle er und werde auch anerkannt – oder ob er thematisch einem anderen Rechtsgebiet zuzuordnen sei und lediglich Berührungspunkte zum relevanten Fachgebiet ausweise. 

Bloßer inhaltlicher Bezug reicht nicht

Handelt es sich um keinen originären Fall, muss er laut BGH eine konkret bedeutsame Frage aus dem jeweiligen Fachgebiet aufwerfen, damit das Mandat als Fall im Sinne der FAO zählt. Es müsse, so der Anwaltssenat, hier nicht nur ein inhaltlicher Bezug zu dem jeweiligen Fachanwaltsgebiet bestehen, sondern der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin müsse sich dabei argumentativ mit den entsprechenden Fragen auseinandersetzen. Zwar sei es nicht erforderlich, dass die Problemstellung einen wesentlichen Anteil an der Bearbeitung habe oder gar den Mittelpunkt des Falles bilde. Es müsse aber im Rahmen des Falles eine für die juristische Bearbeitung relevante Frage tatsächlich aufgeworfen und geklärt werden.

Die Beweislast für diesen Schwerpunkt auf dem Gebiet der jeweiligen Fachanwaltsbezeichnungen trägt laut BGH der Antragsteller bzw. die Antragstellerin. Sie müssen hier aktiv mitwirken und insbesondere durch die Vorlage von Handakten einen entsprechenden Nachweis erbringen. Kommen sie der Aufforderung der Rechtsanwaltskammer zur Vorlage von Handakten gemäß § 6 Abs. 3 FAO nicht nach, so geht dies immer zu ihren Lasten. 

Inhaltliche Auseinandersetzung: Anwälte müssen präzise vortragen

Der Anwaltssenat lässt auch grundsätzlich die Möglichkeit zu, dass ein Regressverfahren wegen anwaltlicher Schlechtleistung, das für die Mandantin oder den Mandanten geführt wurde, als Fall in dem entsprechenden Rechtsgebiet zählen kann. Dann aber müssen Anwältinnen und Anwälte darlegen, dass das Verfahren wirklich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem entsprechenden Rechtsgebiet erforderte. So lag es auch in einem Fall des klagenden Anwalts, der dies aber in den Augen des Anwaltssenats nicht nachgewiesen hatte. Denn allein die Aussage des Anwalts, er habe die vorherigen Anwälte eines Mandanten wegen Untätigkeit in einem Erbscheinsverfahren auf Schadenersatz in Anspruch genommen, stelle noch keinen Nachweis dafür dar, dass konkret eine umfassende erbrechtliche Beratung erforderlich gewesen sei. Hierzu müsse der Antragsteller sehr genau vortragen.

Es könne von der Rechtsanwaltskammer auch nicht verlangt werden, dem Antragsteller konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer "argumentativen erbrechtlichen Auseinandersetzung" an die Hand zu geben. In Anbetracht der Vielfalt der anwaltlichen Fallbearbeitung in den einzelnen Fachgebieten sei es nicht möglich, noch weiter abstrakt-generell den erforderlichen Bearbeitungsschwerpunkt zu präzisieren, hier komme es immer auf den Einzelfall an. 

Offengelassen hat der BGH allerdings die Frage, ob rechtsförmliche Verfahren im Sinne des § 5 Abs. 1 FAO dann anerkannt werden können, wenn sie im Ausland geführt werden. Im entschiedenen Fall kam es darauf schon nicht an, weil die zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika geführten Verfahren keinen ausreichenden erbrechtlichen Bezug hatten.

Der Anwaltssenat des BGH präzisiert mit diesem Beschluss sehr anschaulich die Anforderungen für den Nachweis praktischer Fälle für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung. Insbesondere ist es Aufgabe des jeweiligen Antragstellers bzw. der Antragstellerin, konkret darzulegen, warum ein Mandat aus einem anderen Rechtsgebiet einem Schwerpunkt in dem Gebiet der beantragten Fachanwaltsbezeichnung hat. Hier sind Anwältinnen und Anwälte in Zukunft verpflichtet, die sich stellende Fachfrage genau zu bezeichnen und darzulegen, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung in dem entsprechenden Fachgebiet erforderlich war. So reicht es, dies wird aus dem Beschluss des BGH deutlich, etwa im Erbrecht nicht aus, dass ein Erbe irgendwelche Ansprüche geltend macht – ein erbrechtlicher Fall wird es erst dann, wenn auch wirklich erbrechtliche Fragen, etwa der Umfang des Erbes oder dessen Berechnung, zu klären sind.

Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in Singen (Hohentwiel) und war lange Jahre Geschäftsführer der Anwaltskammer Köln. Er publiziert regelmäßig zum anwaltlichen Berufsrecht.

BGH, Beschluss vom 14.10.2024 - AnwZ (Brfg) 25/24

Gastbeitrag von Martin W. Huff, 6. Dezember 2024.