Anwältinnen und Anwälte gibt es gute und schlechte - wie in jeder Branche. Eine anerkannte Möglichkeit, eine besondere Qualifikation in einem Rechtsgebiet nachzuweisen, ist es, einen Fachanwalts-Titel zu erwerben. Dieser wird aber nicht auf Lebenszeit verliehen, sondern will mit regelmäßigen Fortbildungen erhalten werden. Dazu ist eine bestimmte Zahl an Fortbildungsstunden pro Jahr vorgeschrieben. Dass diese nicht zum Teil einfach im "Selbstleseverfahren" erbracht werden können, stellte in einer am Freitag veröffentlichten Entscheidung noch einmal der Senat für Anwaltssachen des BGH klar (Beschluss vom 30.08.2024 - AnwZ (Brfg) 18/24).
Gemäß § 15 FAO können die Fortbildungsstunden dadurch abgeleitet werden, dass Anwältinnen und Anwälte auf dem entsprechenden Fachgebiet wissenschaftlich publizieren oder an fachspezifischen Fortbildungen teilnehmen, was sie ihrer Rechtsanwaltskammer unaufgefordert jährlich nachweisen müssen. Bis zu fünf der mindestens 15 Fortbildungsstunden pro Jahr können dabei im Wege des Selbststudiums absolviert werden, sofern eine Lernerfolgskontrolle erfolgt.
Drei Jahre in Folge zu wenig Stunden
Vor dem BGH ging es um einen ehemaligen Fachanwalt für Steuerrecht, dessen Erlaubnis zum Führen dieses Titels durch seine Rechtsanwaltskammer widerrufen worden war. Grund war, dass er in drei aufeinanderfolgenden Jahren (2020 bis 2022) seinen Fortbildungspflichten nicht nachgekommen war. 2022 wies ihn die Kammer schriftlich darauf hin, dass er für das Jahr 2020 lediglich siebeneinhalb Zeitstunden und für das Jahr 2021 nur sechseinhalb Zeitstunden nachgewiesen, sowie für das aktuelle Jahr noch gar keine Nachweise erbracht habe.
Der Steuerrechtler erklärte daraufhin, dass es ihm 2020 aufgrund einer schweren Corona-Erkrankung und aus persönlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, die erforderlichen Fortbildungen zu absolvieren. Im Jahr darauf sei er aufgrund eines Meniskusrisses drei Monate ausgefallen. Er bat daher darum, die Fortbildungsnachweise für 2020 bis einschließlich 2022 bis zum Ende des Jahres vorlegen zu dürfen. Die Kammer gewährte ihm darauf eine Frist von vier Monaten - allerdings nicht bis zum Jahresende - um die fehlenden 16 Stunden aus den Vorjahren nachzuweisen. Die weiteren 15 Stunden für 2022 seien ordnungsgemäß bis zum Jahresende zu erbringen. Bis zum Jahresende wies der Anwalt jedoch nur insgesamt 14,25 Zeitstunden nach, weshalb die Kammer die Titelführungsbefugnis letztlich widerrief.
Selbststudium erfordert Fremdkontrolle
Nachdem er hiergegen vor dem AGH Bayern vorgegangen war und dort verloren hatte, wandte sich der Rechtsanwalt mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung nach Karlsruhe. Dem entsprach der Senat jedoch nicht, weil er die aufgeworfenen Rechtsfragen nicht für klärungsbedürftig im Sinn des § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hielt. Der Jurist hatte vorgebracht, es müsse geklärt werden, ob die Vorschrift des § 15 Abs. 4 FAO so auszulegen sei, dass die fünf Zeitstunden, die im Wege des Selbststudiums absolviert werden dürfen, nicht von einer Fremdkontrolle abhängig seien. Seine Begründung: Da er selbstverständlich regelmäßig in Fachzeitschriften lese, habe er die fünf Stunden Selbststudium erbracht. Der erforderliche Nachweis könne dabei durch die bloße Mitteilung erbracht werden, dass er fünf Stunden fachspezifisch gelesen habe.
Hier griff jedoch nach Ansicht des Senats die alte Weisheit: "Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung". Der BGH wies darauf hin, dass diese Frage "nicht klärungsbedürftig, sondern unschwer - und zwar im gegenteiligen Sinne - bereits anhand der existierenden berufsrechtlichen Regelungen zu beantworten" sei. Einen Absatz später heißt es nämlich in § 15 Abs. 5 Satz 2 FAO, dass die Fortbildung im Sinne des Absatzes 4 (Selbststudium) durch Bescheinigungen und Lernerfolgskontrollen nachzuweisen sei. Bereits daraus ergebe sich, dass das Selbststudium, um als Fortbildung anerkannt zu werden, mit einer Lernerfolgskontrolle nachgewiesen werden müsse und die reine Lektüre von Fachzeitschriften gerade nicht genüge.
Auch griff hier aus Sicht des BGH nicht der Einwand, dass der gesetzlich in § 43c Abs. 4 BRAO geregelte Widerruf der Titelführungsbefugnis hier unverhältnismäßig sein könnte. Dieser stehe im Ermessen des Vorstands der Rechtsanwaltskammer, wobei diese genügend Spielraum habe, um den Umständen des jeweiligen Einzelfalls vor einem Widerruf Rechnung zu tragen. Auf die Frage, ob vielleicht grundsätzlich eine vorherige Rüge nötig sei, komme es hier ebenfalls nicht an, da auch ein Widerruf ohne Rüge nicht als unverhältnismäßig anzusehen sei. Schließlich habe er seine Fortbildungspflicht nicht nur einmal, sondern in drei aufeinanderfolgenden Jahren nicht erfüllt und habe mit Blick auf seine Erkrankungen eine weitere Frist von der Kammer eingeräumt bekommen. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass die mit der Fortbildungspflicht intendierte Gewährleistung eines einheitlichen Qualitätsstandards "angesichts der wiederholten, teils beträchtlichen Verletzung der Fortbildungspflicht" schon erheblich beeinträchtigt gewesen sei.