Anwendbares Recht für rückständigen Unterhalt bei Expatriates
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Befristete Aufenthalte eines Ehepaars aus beruflichen Gründen in verschiedenen Ländern sprechen gegen die Anwendung des Unterhaltsrechts eines dieser Staaten. Der Bundesgerichtshof betonte, dass es eine Frage des Einzelfalls ist, ob die Ehe eine enge Verbindung nach dem Haager Unterhaltsprotokoll zum Aufenthaltsort aufweist. Bei Arbeitseinsätzen in wechselnden Staaten sei deutsches Recht anwendbar.

Ehe wurde in Texas geschieden

Eine Frau verlangte von ihrem Ex-Mann nachehelichen Unterhalt (für April 2018 bis Juni 2018 insgesamt 15.546 Euro, ab Juli 2018 monatlich 5.182 Euro). Das Paar lebte zunächst mit der gemeinsamen Tochter seit 1994 in Schottland, wo der Ehemann eine Doktorandenstelle innehatte. 1999 ging er ein Arbeitsverhältnis mit einem weltweit tätigen Mineralölkonzern ein, wonach er als sogenannter "Expatriate" in der Regel für vier Jahre befristet an einem internationalen Standort tätig sein sollte. Von 1999 bis 2008 lebte die Familie in den Niederlanden, wo sie im Juli 2008 heirateten. Zuletzt hielten sie sich seit 2012 im US-Bundesstaat Texas auf, wo der Mann zu den Bedingungen eines "Local Non-National" arbeitete. Nach ihrer Trennung 2015 ließen sie sich dort 2017 scheiden. Seitdem hält sich die Ex-Frau in Deutschland auf, während er weiterhin in Texas lebte. Ihr Antrag scheiterte sowohl beim AG Karlsruhe als auch beim dortigen OLG. Anstelle des ansonsten einschlägigen deutschen Rechts (Art. 3 Abs. 1 HUP), sei hier texanisches Recht maßgeblich (Art. 5 HUP), weil sich der Mann gegen die Anwendung deutschen Rechts gewandt habe und insbesondere das texanische Recht wegen des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts eine engere Verbindung zu ihrer Ehe aufweise. Die Rechtsbeschwerde der Frau beim BGH hatte Erfolg.

Wertende Gesamtbetrachtung ist entscheidend

Dem XII. Zivilsenat zufolge hat das OLG zu Unrecht texanisches Unterhaltsrecht angewandt und auf dieser Grundlage einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau verneint. Dessen Würdigung, wonach der – im Wesentlichen durch den nicht auf Dauer angelegten gemeinsamen Aufenthalt in Texas vermittelte – Bezug zum Recht des Bundesstaates Texas ein höheres Gewicht als die zur Anwendung deutschen Unterhaltsrechts führende Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehefrau (Art. 3 Abs. 1 HUP) habe, sei von Rechtsfehlern beeinflusst. Das OLG habe auf Grundlage seiner Feststellungen zu den Lebensumständen der Beteiligten, insbesondere zu den Umständen ihres dortigen Aufenthalts, dem Gesichtspunkt des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts einen unvertretbar hohen Stellenwert eingeräumt, kritisierten die obersten Zivilrichter. Entscheidend sei stets eine Gesamtabwägung. Die Zeit in Texas sei nicht auf Dauer angelegt gewesen, sondern habe sich in eine beruflich bedingte regelmäßige Abfolge jeweils befristeter Aufenthalte in verschiedenen Ländern eingereiht. Der Umstand, dass der Mann in Texas zu den Bedingungen eines "Local Non-National" beschäftigt wurde, ändere daran nicht. Der BGH verwies die Sache daher an das OLG zurück. Es müsse klären, ob die Frau mit der Scheidungsfolgenvereinbarung vom Oktober 2017 auf nachehelichen Unterhalt verzichtet habe. Sollte dies nicht der Fall sein, werde das OLG zudem über Dauer und Höhe des Unterhaltsanspruchs zu entscheiden haben.

BGH, Beschluss vom 11.05.2022 - XII ZB 543/20

Redaktion beck-aktuell, 20. Juni 2022.