Unzulässiges Rechtsmittel: Erst muss über Verfahrenskostenhilfe entschieden werden

Hat ein Mittelloser trotz Anwaltszwangs ohne Anwalt ein Rechtsmittel eingelegt und dafür Verfahrenskostenhilfe (VKH) beantragt, darf das Gericht laut BGH nicht einfach das Rechtsmittel als unzulässig verwerfen, sondern muss erst über den VKH-Antrag entscheiden. Fehle der VKH-Vordruck, könne es zum Hinweis verpflichtet sein.

Ein Vater wandte sich gegen die Forderung, an seinen Sohn vorausgeleistetes BaföG zurückzuerstatten. Beim FamG kassierte er einen Versäumnisbeschluss, sein Einspruch scheiterte wegen Verfristung. Anschließend legte er fristgerecht Beschwerde ein und beantragte dafür zugleich VKH. Allerdings legte er die Beschwerde persönlich ein, also ohne Anwalt. Das OLG verwarf die Beschwerde als unzulässig, weil für das Verfahren Anwaltszwang herrscht.

Mit seiner Rechtsbeschwerde hatte er beim BGH Erfolg, das OLG muss nun neu über die Beschwerde entscheiden. Das OLG habe zu Unrecht sofort die Beschwerde als unzulässig verworfen. Es hätte aber zunächst über den VKH-Antrag entscheiden müssen (Beschluss vom 20.03.2024 - XII ZB 506/23). Denn ein bedürftiger Rechtssuchender sei bis zur Entscheidung über den VKH-Antrag unverschuldet an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels gehindert, wenn er diesen innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt hat und mit einer Bewilligung rechnen durfte. Das gelte auch dann, wenn neben dem VKH-Antrag ein unzulässiges Rechtsmittel eingelegt worden ist – wie hier wegen des Anwaltszwangs.

Dem BGH zufolge hätte das Gericht dem Vater danach Wiedereinsetzung gewähren müssen, wenn er die Beschwerde nach einer Entscheidung über den VKH-Antrag innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist über einen Anwalt und damit formwirksam eingelegt hätte. Denn er habe davon ausgehen dürfen, dass ihm VKH gewährt wird.

Zwar sei der VKH-Antrag unvollständig, da der amtliche Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bislang fehle. Das OLG hätte den nicht rechtskundig beratenen Vater hierauf aber hinweisen müssen. Im VKH-Verfahren sei das Rücksichtnahmegebot besonders bedeutsam. Um die Hinweispflicht auszulösen, müsse der VKH-Antrag allerdings so rechtzeitig gestellt worden sein, dass der Vordruck auf gerichtlichen Hinweis hin noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist nachgereicht werden kann. Das sei hier der Fall gewesen, nachdem nach Akteingang beim OLG noch gut zwei Wochen Zeit war. Die Entscheidung des BGH knüpft an seine bisherige Rechtsprechung an.

BGH, Beschluss vom 20.03.2024 - XII ZB 506/23

Redaktion beck-aktuell, 26. April 2024.