Anwaltsverschulden durch unzureichende Überwachung

Bei Auftreten von Umständen, die ein erhöhtes Fehlerrisiko in sich bergen, ist die korrekte Ausführung von Anweisungen durch den Anwalt zu überwachen. Der Bundesgerichtshof hat daher entschieden, dass es einem Anwalt selbst – und nicht seiner Bürokraft – zuzurechnen ist, wenn versehentlich statt der korrigierten Fassung eine fehlerhafte Berufung versendet wird, die er zuvor unterzeichnet hatte. 

Fristversäumnis - verkehrte Berufungsschrift abgesendet

Ein Rechtsanwalt vertrat erstinstanzlich ein Ehepaar in einer Darlehenssache. Nachdem sie vom Landgericht Bad Kreuznach als Gesamtschuldner zur Rückzahlung von fast 500.000 CHF verurteilt worden waren, erteilten sie ihm den Auftrag, Rechtsmittel einzulegen. Der Anwalt wies seine Angestellte an, eine Auszubildende eine Berufungsschrift anfertigen zu lassen, die er unterzeichnete. Erst anschließend fiel ihm auf, dass nur der Ehemann als Berufungskläger aufgeführt war, und bat die Angestellte mündlich darum, den Schriftsatz selbst zu korrigieren. Das erste Schreiben sollte sie vernichten. Auch die neue Berufungsschrift mit beiden Mandanten unterschrieb er, obwohl die Eheleute hierin als Berufungsbeklagte statt -kläger bezeichnet waren. Das Vorzimmer sendete am nächsten Tag versehentlich die ursprüngliche, "falsche" Berufung an das Gericht. Dieser Fehler fiel erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist auf, als die Berufung begründet wurde. Der Jurist beantragte sofort die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte Berufung für die Mandantin ein. Das Oberlandesgericht Koblenz wies sie als unzulässig ab, auch seine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof half ihm nicht.

Verwechslung ist Anwaltsverschulden

Die Säumnis beruhte laut den Karlsruher Richtern nicht auf einem Versehen einer bisher zuverlässigen Angestellten, sondern auf einem Anwaltsverschulden, das dessen Mandantin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen war: Der Anwalt hätte engmaschig überprüfen müssen, ob die Berufungsschrift beider Mandanten fristgerecht von der Angestellten versendet worden war. Erstens arbeitete die Angestellte erkennbar nicht fehlerlos - schon bei der Überwachung der Auszubildenden nicht - und zweitens war mit zwei unterschriebenen Exemplaren ein erhöhtes Fehlerrisiko entstanden. Auch der Umstand, dass die Berufungsschrift erst am nächsten Tag versendet werden würde, barg nach Ansicht des XI. Zivilsenats eine Verwechslungsgefahr.

BGH, Beschluss vom 23.03.2021 - XI ZB 8/20

Redaktion beck-aktuell, 29. April 2021.